Am 23.10. kam zunächst eine weitere Person, die der Polizei private Videoaufzeichnungen zur Verfügung gestellt hatte. Danach erschien eine weitere Mitarbeiterin der Continentale-Versicherung, die über ihre Erlebnisse am Arbeitsplatz am 07.07.2017 berichtete. Die Zeugin war einigermaßen mitgenommen von dem Szenario, dass mehrere Vermummte ohne Vorwarnung Steine und (angeblich) eine Rauchbombe in die Kundenberatung der Versicherung geworfen hätten. Auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft berichtete sie aber ausdrücklich, dass ihr das heute nichts mehr ausmachen würde.
Im Anschluss kam noch ein weiterer Video-Aufzeichner, der auf dem Fahrrad fahrend nach hinten gefilmt hatte. Funfact am Rande: Die größte Gefahr bestand für den Fahrradfahrer durch einen Laternenmasten, der wie zu sehen ist, nach erheblichem Schlenker der Kamera denkbar knapp an derselben vorbeiflog … Er berichtete, dass Parolen gerufen worden seien, durch die er auf das Gesamtgeschehen aufmerksam geworden sei. Auch ein Transparent habe er gesehen. Außerdem berichtete der Zeuge von einer – auf dem Video nur sehr bedingt sehbaren – Zweiteilung der Menschen auf der Neuen Großen Bergstraße. Die hätten sich wie nach einer Verabredung geteilt, wobei das Banner auf der rechten, die anderen großteils auf der linken Seite weitergegangen seien und beidseitig Scheiben eingeschlagen oder -geschmissen hätten. Das Video habe er – das nur der Vollständigkeit halber – aufgezeichnet, weil seine Freundin auch links orientiert sei und er mit ihr immer diskutieren müsse, wie das mit politischer Gewalt so sei. Sie würde da immer zur Verharmlosung tendieren und er habe das Video deshalb als häusliche Diskussionsgrundlage gesehen.
Die Aussage dieses Zeugen ist ggf. nicht ganz unwichtig, weil sie ab Eingang Neue Große Bergstraße eine neue Konstellation im Vorgehen beschreiben könnte (Aufteilen pp.), was ggf. auch nach außen hin klar machen könnte, dass eine Verantwortlichkeit (Zurechnung) für Menschen, die vorher schon weg gegangen waren, nicht mehr erfolgen kann.
Zum Schluss dieses Hauptverhandlungstages kündigte dann Undine (Rechtsanwältin von Loic) an, dass dieser ggf. eine Einlassung machen wolle. Er wolle dies aber nur in öffentlicher Hauptverhandlung machen und bitte daher darum, dass das Gericht sich Gedanken darüber machen solle, ob die Öffentlichkeit für seine Einlassung zugelassen werden könne. Als Umfang wurden „vielleicht 10 Minuten an einem, 10 Minuten am nächsten Tag“ avisiert. [die Einlassung gab es dann nicht, da die Öffentlichkeit nicht zugelassen]
Am 30.10. wurden weitere Videos in Augenschein genommen. Dann erschien ein Inspektor aus dem Innendienst des Rathaus / BA Altona („interner Service“), der über die dortigen Schäden Auskunft gab. Das Haus gehört mittlerweile offenbar der Sprinkenhof GmbH. An den Fenstern seien insgesamt 70 Scheiben zerstört worden, wobei aufgrund des „einwurfhemmenden“ Glases der Großteil nicht zersplittert sei. Interessant war an der Aussage, dass er angab, durch Leuchtraketen sehr frühzeitig auf Vermummte aufmerksam geworden zu sein, die sich dem Gebäude näherten. Sie seien nach seinem Eindruck aus der Betty-Levi-Passage und vom Ottensener Marktplatz gekommen. Das dürfte mit Blick
auf die staatsanwaltschaftliche These vom „Block-„Krawall nicht ganz uninteressant sein. Es habe, so schilderte der Zeuge zudem, alle verwundert, wie die Polizei (nicht) agiert habe. So habe die
Gewerbeschule ihnen Bescheid gegeben, dass in einem angrenzenden Gebüsch/Park Klamotten von Demo-Teilnehmern nach Umkleiden versteckt worden seien. Erst Wochen später habe sich die Polizei dann dieses Gebüsch/diesen Park noch einmal angesehen. Außerdem hätten sie einen nicht gezündeten Bengalo gefunden und der Polizei Bescheid gegeben. Statt dass der Brandsatz abgeholt worden sei, sei einfach gar nichts passiert. Sie hätten den dann irgendwann einfach vernichtet. Er wusste auch noch zu
berichten, dass einzig eine Standesbeamtin verletzt gewesen sei, die jetzt auch noch gehört werden soll (und: ja, auch für den 07.07.2017 hatten sich diverse glückliche Paare am Standesamt für eine Hochzeit
angemeldet, die dann woanders stattfinden musste).
Im Anschluss kam noch der Vorgesetzte von dem internen-Service-Mitarbeiter, der nicht von einem Bengalo, wohl aber von Flaschen mit gelblicher Flüssigkeit drin sprach, die man gefunden habe.
Das habe man einem Polizeibeamten auch sofort mitgeteilt. Der habe aber mit der Verkehrsregelung zu tun und keine Zeit gehabt. Auch die später vom PK21 erschienenen Polizeibeamten hätten die Flaschen nicht mitgenommen; damit sie nicht auf Dauer im Rathaus liegen bleiben, habe man sie später der SoKo Schwarzer Block übersandt.
Schließlich wurde noch eine Inhaberin einer Boutique auf der Neuen Großen Bergstraße gehört, die sich mit der Forderung einführte, sie wolle, dass „die alle“ maximal zur Verantwortung gezogen würden, das gehe schließlich gar nicht („toporganisiert, ultrabrutal“). Sie hatte eine ganze Nacht (06./07.07.) vor ihrem Geschäft ausgeharrt, um darauf aufzupassen und wurde sowohl am 06. als auch am 07.07.2017 Zeugin der Sachbeschädigungen. Sie bahauptete, am Abend des 06.07. „italienische Befehle“ bei den Vermummten vernommen zu haben. Von der Zeugin wird im Übrigen die Anekdote hängen bleiben, dass während eben dieser Nacht eine Person auftauchte (1,90 groß, bärtig), die sich selber der linken Szene zugehörig sah und mitteilte, von der Welcome-to-hell-Demo zu kommen
und ihr bei der „Bewachung“ ihres Ladens Gesellschaft leistete, weil er das alles auch unfassbar fand.