EVGENII – Prozessberichte vom 11.4. bis 30.5.

2.Anlauf am Amtsgericht

Sein Prozess begann am 11.04. nach Prozessaussetzung im Dezember erneut von vorn. Der ursprüngliche Tatvorwurf wurde verlesen. Aufgrund der Ausweisung und des fünfjährigen Schengenverbots der Ausländerbehörde wurde sein Visumsantrag zur Fortsetzung des Verfahrens zunächst verweigert. Nur durch Intervention der Staatsanwaltschaft, da nur mit einem anwesenden Beschuldigten verhandelt werden kann, wurde das Schengenverbot aufgehoben und Evgenii durfte einreisen.

Am 18.04. wurde die neue Anklage verlesen, nun soll die Tat eine Kreuzung weiter stattgefunden haben, beobachtet von einer anderen Tabo. Den ursprünglichen Vorwurf versucht der Richter darüber glatt zu ziehen, dass die Uhrzeiten der Videos nicht zuträfen. Letztlich können die Videos jedoch aufgrund technischer Probleme nicht gezeigt werden. Der Richter verliest die Stellungnahme vom 08.07.17 der Tabo Claudia Becker zum nun neuen Tatvorwurf. Die Staatsanwaltschaft hatte Becker konkrete, schriftliche Nachfragen gestellt – inklusive Wahrnehmungen des Tabos Hollmann zum ersten Vorwurf. Dann folgten zwei Verwertungswidersprüche der Verteidigung, einer gegen die Verwertung der Aussage des Tabo Hollmann (1. Vorwurf), da es keinerlei Rechtsgrundlage für den Einsatz von Tabos gibt. Der zweite richtete sich gegen die Verkleidung des Zeugen Hollmann.

Am 20.04.beschloss das Gericht, dass es in Ordnung sei, den Tabo als Zeugen zu hören und dass Hollmann maskiert sein dürfe. Als Hollmann den Raum betritt, kommen mehrere bewaffnete Hamburger BFE Beamte mit und werden vom Richter mit dem Kommentar „Schnappatmung!“ des Saales verwiesen. Hollmann wiederholt seine Aussage vom ersten Anlauf des Verfahrens, mit der Ausnahme seiner Aussage zu der Situation, als sich der von ihm Observierte umzog. Hollmann hat an der Straßenecke, wo nun der 2. Tatvorwurf stattgefunden haben soll, keine Beobachtungen gemacht. Sicher ist Hollmann sich allerdings, dass der Täter eine Zip-Jacke auszog und nicht wegwarf. Eine solche Jacke wurde später bei Evgenii jedoch nicht gefunden.
Auf die meisten weiteren Fragen, wo z.B. er seine Aussage getätigt hat, was ein Tabo macht usw., antwortete er, er dürfe nichts sagen. Schließlich hatte selbst die Staatsanwältin die „Faxen dicke“ und sprach von „Kasperle-Theater“ und dass man dann das gesamte USK laden werde. Dies solle Herr Hollmann in Bayern weitergeben. Auch der Richter hatte zuvor schon von „absurdem Theater“ gesprochen und stellte die mögliche Ladung des bayrischen Polizeipräsidenten in Aussicht.

Die Tabo Becker kommt am 27.04. als erste Tabo nicht maskiert. Die Verteidigung stellt erneut den Verwertungswiderspruch gegen ihre Vernehmung aufgrund der fehlenden Rechtsgrundlage. Tabo Becker berichtet, eine schwarz gekleidete Person mit hochgezogenem Tuch habe an der Kreuzung Schulterblatt/Susannenstr/Juliusstr. eine Flasche geworfen.
Er trug einen Beutel, wie ihn wohl mehrere hatten. Aufgrund schriftlicher Nachfragen der Staatsanwaltschaft, ob sie einen Angriff anderer Leute auf die von ihr observierte Person wahrgenommen hätte, hat sie weitere Tabo-Kollegen gefragt und siehe da, zwei gefunden, die dies statt ihr gesehen haben wollen. Die Tabos Karsler und Heller tauchen nun erstmals auf und waren bisher nicht als mögliche Zeugen bekannt. Tabo Becker soll zu einem späteren Termin erneut aussagen.

Am 18.05. war die Beamtin Reimann als Zeugin geladen, die eine der wenigen Beamt*innen war, die in der Gesa „verwertbare“ Aussagen von Tabos aufgenommen hat. Sie selbst habe 40 bis 50 Tabos gehört. Zu Hochzeiten seien 15 in der Warteschlange gewesen. Die Tabos sind nur mit einem Aktenzeichen gekommen, mehr nicht. Und es gab auch sonst keinerlei zusätzliche Infos. Die zur Verfügung stehenden Computer waren extrem begrenzt nutzbar, es sei nicht möglich gewesen, z.B. Googlemaps zu nutzen.
Sie ist dann mit den Aussagen zur Staatsanwaltschaft, die hat „ok“ oder „nachbessern“ gesagt und dann ging die Aussage zu den Entscheider*innen.

Der 30.05. begann mit einem Antrag auf Einstellung des Verfahrens wegen Verletzung des fairen Verfahrens. Denn unterm Strich steuert die Polizei das Verfahren, indem nur scheibchenweise Dinge mitgeteilt werden oder eben verweigert werden. Tabo Becker ist erneut da, diesmal in Begleitung zivil gekleideter BFE-Beamter aus Hamburg, die im Zuschauer*innenraum Platz nahmen. Diesmal berichtete sie, dass sie zu viert unterwegs waren. Sie und Tabo Völker hatten konkret zusammengearbeitet. Dass der durch das USK Nürnberg Festgenommene identisch sein soll mit der von ihr observierten Person, will sie an der schwarzen Hose und den schwarzen Adidas-Schuhen erkannt haben.