G20 ApUA: Polizeibeamte sprechen Gerichtsaussagen untereinander ab – Pressemitteilung vom 19.12.2017

 

Der Außerparlamentarische Untersuchungsausschuss G20 (G20ApUA) bringt
der Öffentlichkeit Folgendes zur Kenntnis: Beim G20-Gipfel in Hamburg
eingesetzte Polizeibeamt*innen werden von ihren Dienststellen dabei
unterstützt, ihre Aussagen vor Gericht untereinander abzugleichen. In
zumindest einer Dienststelle einer Beweissicherungs- und
Festnahme-Einheit (BFE-Einheit) existieren Aktenordner, in denen die
Vernehmungsprotokolle von vor Gericht geladenen Beamten gesammelt und
anderen vorgeladenen Beamten zugänglich gemacht werden. Das bedeutet:
Ein Beamter, der zu einer Aussage vor Gericht geladen wird, weiß um die
vorhergehenden Aussagen seiner Kollegen – eine unabhängige, der
Wahrheitsfindung dienende Befragung ist also nicht möglich und wird
aktiv verhindert. In einem Fall hat ein Beamter sogar privat einen
Ordner mit Aussagen angelegt. Das LKA Hamburg hat den Beamten sogar
deren Vernehmungsprotokolle ausgehändigt. All dies ist im höchsten Maße
rechtswidrig. „Diese Praxis kollidiert fundamental mit dem Ziel des
Strafverfahrens, mittels zulässiger und tauglicher Beweismittel den
wahren Sachverhalt zu ermitteln. Es findet der Versuch einer verdeckten
Beeinflussung der gerichtlichen Wahrheitsfindung durch die Polizei zu
Lasten der Beschuldigten statt“, sagt Rechtsanwalt Alexander Kienzle.
Paragraph 58 der Strafprozessordnung gebietet, dass „Zeugen einzeln und
in Abwesenheit der später zu hörenden Zeugen zu vernehmen“ sind. Bei der
BFE-Einheit handelt es sich um die Beweissicherungs- und
Festnahme-Einheit 38 der Hessischen Bereitschaftspolizei in Mühlheim am
Main. Die Angaben wurden als Beweis öffentlich in dem Verfahren gegen
Konstantin P. am Amtsgericht Hamburg.

Zum G20ApUA: Der Außerparlamentarische Untersuchungsausschuss G20 hat
sich im November 2017 konstituiert. Wir sind ein Zusammenschluss aus
Einzelpersonen und Gruppen unter anderem aus dem
Recht-auf-Stadt-Netzwerk, dem Archiv der Sozialen Bewegungen, dem
Ermittlungsausschuss (EA), dem Gängeviertel, St. Pauli selber machen,
dem Flüchtlingsrat Hamburg und dem FC/MC mit dem Interesse, die Vorgänge
rund um den G20-Gipfel aufzuarbeiten. Da sich jeden Tag erneut zeigt,
dass von offizieller Seite keine Aufklärung zu erwarten ist – und
schlimmer noch: dass diese aktiv behindert wird –, werden wir das nun
selbst in die Hand nehmen. Viele Fragen sind offen: zur
Eskalationsstrategie der Polizei, zur Gewalt gegen friedliche
Demonstrant*innen, zur Verantwortung von Politiker*innen und
Beamt*innen. Stattdessen will die Stadt verdunkeln, vertuschen,
vergessen machen. „Polizeigewalt hat es nicht gegeben, das ist eine
Denunziation, die ich entschieden zurückweise“: Dieses Zitat des
Bürgermeisters eine Woche nach dem Gipfel gibt die Linie vor, der
Politik und Justiz folgen: Wer nachfragt, ist eine Querulant*in, wer
Fragen stellt, eine Störer*in. Mit allen Mitteln wollen Scholz und Grote
ihr Narrativ der „guten, heldenhaften Polizei“ und der „gewalttätigen
Demonstrant*innen“ durchdrücken, was ihrer Geschichtsschreibung
entgegensteht, wird kriminalisiert und bedroht.

Die Personen und Gruppen im G20ApUA eint ihr Erkenntnisinteresse. Wir
sitzen in den Prozessen und werden Zeugen von mehr als zweifelhaften
Aussagen der beim G20 eingesetzten Beamt*innen. Wir möchten wissen, was
war. Wir möchten wissen, wer die Befehle gab und wie sie lauteten, wer
sie befolgte und wer sich widersetzte. Wer danach die Spuren verwischte
und wer die Hülsen einsammelte.

Der G20ApUA ist auf Mitwirkung der Bevölkerung angewiesen, auf die Hilfe
von Personen, die geschädigt wurden, und auf Hinweise von
Polizist*innen, denen Ereignisse der Gipfelwoche nicht mehr aus dem Kopf
gehen.

Der G20ApUA ist erreichbar unter
g20apua@riseup.net
https://g20apua.blackblogs.org

Bei anwaltlichen Nachfragen:
Alexander Kienzle
0171 / 4580985