Rede auf der Demo am 16.3.

Mehr als 1 1/2 Jahre ist der G20-Gipfel in Hamburg nun her.
Wir hatten bereits im Vorfeld befürchtet, dass dieser Gipfel eine neue Repressionswelle gegen linke Aktivist_innen auslöst. Es war klar, dass versucht werden würde die Proteste gegen den Gipfel durch Repression politisch zu delegitimieren. Diese Befürchtungen wurden nicht nur bestätigt, sondern noch übertroffen.

Direkt im Anschluss an die Gipfeltage beantragte die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen 85 Personen Untersuchungshaft, darunter 51 internationale Aktivist_innen. Ein Teil von ihnen kam in den folgenden Wochen wieder auf freien Fuß, doch nicht wenige saßen bis zum Beginn ihrer Prozesse im Knast.


Die Hamburger Polizei setzte direkt nach dem Gipfel die SoKo „Schwarzer Block“ mit 180 Beamt_innen ein. Nach eigenen Angaben führt diese SoKo bis heute etwa 3.400 Ermittlungsverfahren gegen mehr als 850 namentlich bekannte Personen. Dafür wurden und werden Unmengen an Fotos- und Videos ausgewertet, etliche Wohnungen im In- und Ausland durchsucht. Außerdem wurden in vier Öffentlichkeitsfahndungen Fotos von 281 Personen veröffentlicht, von denen angeblich 73 identifiziert wurden. Die extra zu diesem Zweck angeschaffte und eingesetzte Gesichtserkennungssoftware ist wegen der massenhaften Speicherung biometrischer Daten stark in der Kritik. Der Hamburger Datenschutzbauftragte stellte dazu fest: Diese Maßnahme ist illegal. Um sie dennoch durchzuführen war sich die Innenbehörde für nichts zu schade und verklagte kurzerhand den Datenschutzbeauftragten.

Nur wenige Wochen nach dem Gipfel, fand der erste NoG20-Prozess statt: angeklagt war Peike, ein Aktivist aus den Niederlanden. Er wurde wegen zwei angeblicher Flaschenwürfe von dem als „Linkenhasser“ bekannten Richter Krieten zu 2 Jahren und 7 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Ein unfassbar hohes Urteil! Und das, obwohl er von den vernommenen Polizeizeugen nicht einmal identifiziert werden konnte. Das Berufungsverfahren dagegen endete im Januar 2019 mit einer Bewährungsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten.

Seit diesem ersten Urteil sind viele Verfahren vor Hamburger Gerichten gelaufen und etliche Strafbefehle verschickt worden. Neben Absprachen unter Polizist_innen bei der Zeug_innenaussage gab es weitere Schikanen wie Versuche, ausländische Angeklagte während laufender Prozesse auszuweisen und trotz Freispruch Wiedereinreiseverbote zu verhängen. Nach Auskunft der Hamburger Justizbehörde vom Januar 2019 wurden bislang 143 Verfahren abgeschlossen. Gegen neun Personen wurden Haftstrafen ohne Bewährung verhängt, in 51 weiteren Fällen wurden die Haftstrafen zur Bewährung ausgesetzt, gegen 58 Personen wurden Geldstrafen ausgesprochen. In nur 25 Verfahren gab es Einstellungen oder Freisprüche.

Ein Ende der Repression ist noch lange nicht in Sicht. Seit letztem Dezember läuft der Prozess gegen Can, Halil, Loic und zwei weitere wegen der Proteste an der Elbchaussee. Can, Halil und Loic saßen seit Sommer 2018 in U-Haft. Mittlerweile ist nur noch Loic im Knast, nachdem die Haftbefehle gegen Can und Halil im Februar aufgehoben wurden.
„Loic wir grüßen dich von hier und wünschen dir viel Kraft die ganze Scheiße zu überstehen!“

Das Verfahren ist von besonderer Bedeutung, denn den Angeklagten wird nicht vorgeworfen, selbst Autos angezündet zu haben. Allein der Vorwurf, dass sie dabei gewesen sein sollen, reicht der Staatsanwaltschaft für die Anklage. Hier wird ein weiteres Mal versucht, die sogenannte Hooligan-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf Demonstrationen zu übertragen. Demnach soll das “betont auffällige Mitgehen“ bei einer Gruppe bereits den Straftatbestand des Landfriedensbruchs erfüllen, völlig unabhängig davon, ob den Einzelnen konkrete Straftaten vorgeworfen werden.

« Was beim Prozess gegen Fabio nicht geklappt hat, wird nun in diesem Prozess wieder versucht. Fabio wurde angeklagt nachdem die Polizei die Demo am Rondenbarg mit Gewalt aufgelöst hatte. » Das Urteil in diesem Verfahren wird ohne Zweifel Auswirkungen auf viele weitere haben und das nicht nur im Zusammenhang mit G20.

Nachdem zum Prozessauftakt im Dezember gegen die fünf viele Freund_innen, Genoss_innen und Familienangehörige die Angeklagten unterstützt hatten, entschied die Richterin im Januar, die Öffentlichkeit für den Rest des Verfahrens auszuschließen. Sie begründete das damit, dass die Solidaritätsbekundungen „erziehungsschädlich“ für die jungen Angeklagten seien, konkret wurde die Empfehlung zur Aussageverweigerung durch die Rote Hilfe benannt. Das wird uns nicht davon abhalten, die Angeklagten zu unterstützen!

Als Bündnis „United We Stand!“ haben wir uns direkt nach dem Gipfel zusammengefunden, um die Gefangenen und die Prozesse solidarisch zu begleiten und den Widerspruch nicht verstummen zu lassen. So gibt es regelmäßig Kundgebungen vor den Knästen Billwerder und Holstenglacis und auch vor den Gerichten zu den Prozessterminen. Wir unterstützen die Angeklagten, Gefangenen und ihr Angehörigen, seit kurzem sogar mit Radiosendungen.

Für das laufende Jahr sind bereits an die Hundert Prozesstage in rund 40 Verfahren terminiert. Bei dieser Vielzahl an Verfahren und dem hohen Verfolgungswillen zeigt sich einmal mehr, wie wichtig es ist, zusammenzustehen und einzelne nicht mit der Repression und ihren Folgen alleine zu lassen. Wir werden weiterhin lautstark alle von Repression betroffenen unterstützen! Wir lassen uns die Solidarität nicht nehmen!

Besucht die Prozesse und lasst die Angeklagten nicht alleine! Kommt zu den Demos und Kundgebungen! Schreibt Briefe an die Gefangenen:

Getroffen hat es einige – gemeint sind wir alle!

United We Stand! – Niemand bleibt allein!