Rondenbarg: Prozessbericht, 2. Verhandlungstag

Am 09.12.20 von ca. 09:30 Uhr bis ca. 15:45 Uhr wurde vor der 27. Großen Strafkammer – Jugendkammer – des Landgerichts Hamburg das Rondenbarg-Verfahren gegen fünf Betroffene fortgesetzt. Wie auch schon am ersten Verhandlungstag fand vor dem Strafjustizgebäude eine Solidaritäts-Kundgebung statt.

Der zweite Tag war geprägt von Anträgen der Verteidigung. Den Anfang
machte Rechtsanwältin Beisenherz mit einem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wegen der aktuellen Covid-19-Lage, damit verbunden war ein Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens. Dem Antrag schlossen sich alle Verteidiger*innen an. Dies sollte sich an diesem Tag bei allen weiteren Anträgen der Verteidigung wiederholen. Wenig überraschend wurde der Antrag von der Kammer (Halbach, Hienzsch, Lohrmann) abgelehnt. Nach Abwägung des strafprozessualen Beschleunigungsgrundsatzes mit dem Infektionsschutz sei eine Aussetzung nicht geboten.

Sodann folgten Opening-Statements der Rechtsanwält*innen Busmann, Luczak, Werner und Wisbar, welche folgende Themen behandelten:
Im Rondenbarg hat eine Versammlung stattgefunden, welche unter den
Schutz von Art. 8 GG steht. Die Polizeimaßnahmen gegenüber der
Demonstration sind rechtswidrig erfolgt. Indem die Polizei zuschlagend von vorne in die Versammlung hineingelaufen und von hinten mit Wasserwerfern schießend hineingefahren ist, hat sie eine Panik-Situation ausgelöst. Hierdurch sind mehrere Demonstrant*innen zum Teil schwer verletzt worden. Die Verantwortung hierfür trägt die Polizei.

Die Staatsanwaltschaft ignoriert die ständige versammlungsrechtliche
Rechtsprechung von BVerfG (Brokdorf) und BGH (Grohnde) und versucht eine Entscheidung des BGH (Hooligans) auf die Rondenbarg-Versammlung anzuwenden, welche laut BGH ausdrücklich nicht auf Versammlungen anzuwenden ist.
Gegen geltendes Gesetz versucht die Staatsanwaltschaft den
Landfriedensbruch-Paragraphen so anzuwenden, wie er bis 1970 in Kraft war (Verwirklichung des Tatbestands ohne eigenen Tatbeitrag) und seitdem nicht mehr gilt.

Eines der Opening Statements war verbunden mit dem Antrag auf
Einstellung wegen Verfahrenshindernissen, nämlich Verstößen gegen das Fair-Trial-Prinzip durch parteiisch geführte Ermittlungen der Soko
„Schwarzer Block“, überlange Verfahrensdauer und der besonderen Stellung von Polizeizeug*innen in diesem Verfahren. Die Entscheidung über den Antrag wurde zurückgestellt.

Nach den Opening-Statements stellte der Vorsitzende Richter die Frage, ob Einlassungen zur Sache erfolgen werden. Alle Betroffenen machten von ihrem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch.
Es folgte ein Antrag von Rechtsanwalt Fischer auf audiovisuelle
Aufzeichnung der Hauptverhandlung. Die Entscheidung über den Antrag wurde zurückgestellt. Und ein Antrag auf Aktenvollständigkeit von Rechtsanwalt Wisbar. Mit welchem die Staatsanwaltschaft aufgefordert wurde, mitzuteilen, ob alle Aktenbestandteile vorliegen, welche für das Rondenbarg-Verfahren von Bedeutung sind. Die Verteidigung vermisste die polizeiliche Akte „Auswertung Colour the Red Zone“, welche aus anderen Verfahren bekannt ist und das Vorgehen von Demonstrant*innen bei symbolischen Blockaden im Rahmen der G20-Proteste beschreibt. Die Staatsanwaltschaft (Trautmann, Geis) wollten sich hierzu nicht äußern.

Weiterhin folgte ein Antrag von Rechtsanwältin Busmann auf Beiordnung eines zweiten notwendigen Verteidigers. Die Entscheidung über den Antrag wurde zurückgestellt.
Schließlich ordnete der Vorsitzende Richter das Selbstleseverfahren für
eine Reihe von Urkunden an. Dem wurde zunächst von Rechtsanwältin Beisenherz mit umfangreicher Begründung widersprochen. Dem Widerspruch schlossen sich alle Verteidiger*innen, teilweise mit eigener Begründung, an.
Damit endete der zweite Tag. Fortgesetzt wird die Hauptverhandlung am 22.12.20 von 11:00 bis 13:00 Uhr, an diesem Tag soll mit der Inaugenscheinnahme der polizeilichen Einsatzvideos begonnen werden.