Statement der Roten Hilfe:
Knapp zehn Monate nach dem G20-Gipfel in Hamburg haben Polizei und
Staatsanwaltschaft in der vergangenen Woche mit einer erneuten
Öffentlichkeitsfahndung nach Tatverdächtigen begonnen. Dazu wurden Fotos
von 101 Verdächtigen im Internet veröffentlicht. Die Fahndung wurde
zudem auf 15 europäische Länder ausgeweitet.
Die Fahndung per veröffentlichten Fotos ist hoch umstritten. Sie ruft
die Bevölkerung gezielt zur Denunziation auf und stigmatisiert die
Betroffenen zu Straftäter*innen, ohne dass dafür ein legitimer Beweis
vorgelegt wird. Denn bevor die jeweils Verdächtigten ein
Gerichtsverfahren erhalten, in dem ihre Schuld oder Unschuld fest
gestellt wird, kursieren bereits Fotografien in der Presse und im
Internet, auf denen sie als Straftäter*innen diffamiert werden.
Die Hamburger Staatsanwaltschaft teilte nun mit, dass es im Zusammenhang
mit dem G20 bisher keine Person gegeben habe, die zu Unrecht in die
Öffentlichkeitsfahndung gelangt sei. Diese Aussage verdeutlicht, dass
alle Betroffenen bereits im Vorfeld als schuldig betrachtet werden.
„Diese pauschalen Vorverurteilung sind entlarvend“, erklärt Heiko Lange,
Mitglied im Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. „Die Unschuldsvermutung,
die für jede*n so genannte*n Straftäter*in vor dem Prozess und der
darauf folgenden Rechtsprechung gelten sollte, wird hier bereits im
Vorfeld aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft Hamburg wirft damit sämtliche
rechtsstaatlichen Prinzipien ein für alle Mal über Bord. Wie in einem
solchen Rahmen anschließend selbst theoretisch noch ‚faire Prozesse‘
möglich sein sollen, erschließt sich mir absolut nicht. Von unabhängigen
Entscheidungen der Justiz kann nicht ausgegangen werden.“
Bereits im Vorfeld des G20-Gipfels im Juli des vergangenen Jahres war
eine besonders harte Vorgehensweise gegen Aktivist*innen angedroht
worden, um diese einzuschüchtern. Die dennoch sehr erfolgreichen und
vielfältigen Proteste wurden von massiver Repression und Polizeigewalt
begleitet. Während bereits mehrere Aktivisten zu besonders harten
Strafen verurteilt wurden, führte keines der bisher geführten 140
Verfahren gegen Polizist*innen zu einer Anklage.