Kein Freispruch für Konstantin – aber immerhin die erste G20 Haftentschädigung!
Ausgerechnet am Dienstag den 8. Mai, am Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus, ist der G20 Prozess gegen Konstantin mit einer Verurteilung wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu Ende gegangen. Wie ja leider zu erwarten war, hat auch die Jugend-Richterin Frau Fischer sich dem Druck der Politik gebeugt, allen voran Olaf Scholz‘ Ansage, sämtliche „G20-Chaoten“ hart und streng zu bestrafen.
Am letzten, dem 16. Verhandlungstag gegen den jungen NoG20 Aktivisten Konstantin aus Moskau verließ sie zudem den eigentlich ganz ausgeglichenen Konsens der Souveränität und brachte eine völlig überflüssige Aggressivität und aufgeheizte Stimmung in den Gerichtssaal. So stachelte sie unnötiger Weise die eh schon ziemlich unerträglichen Saaldiener auf, ständig an den Prozessbesucher*innen und Freund*innen Konstantins rumzumäkeln und mit Rauswurf zu bedrohen. Eine Aktivistin musste im Laufe der Verhandlung den Saal verlassen, weil sie angeblich gekichert haben soll. Zudem versuchten die Justizbeamten die Öffentlichkeit nach Urteilsverkündung aus dem Raum zu nötigen, obwohl die Richterin gerade Konstantins Verteidiger einen Lügner genannt hatte, was dieser selbstverständlich nicht unwidersprochen auf sich sitzen lassen konnte. Natürlich bestanden alle Anwesenden darauf, diesem interessanten Schlagabtausch beizuwohnen. Also kurzum, es war ein recht unerquickliches Verhalten, was sie auf den letzten Metern an den Tag legte, umso unverständlicher, da eh alle mit einer (Teil-) Verurteilung gerechnet hatten und von daher eher stoisch ihrer Urteilsbegründung lauschten.
So endete Konstantins Prozess, der am 18. Oktober mit vier Anklagepunkten begonnen hatte, also mit, wenn man so will, drei Freisprüchen und einer Verurteilung, falls man dem ganzen Irrsinn noch etwas Positives abgewinnen will. Freigesprochen wurde er vom Vorwurf der versuchten Körperverletzung (Flaschenwerfen, Flaschenwerfen), da das Tragen von hellen Turnschuhen und Sneaker-Socken für eine Verurteilung dann doch nicht ausreichte, was aber ja auch schon längst fallengelassen worden war. Der daraus resultierende Vorwurf eines Angriffes auf Polizeibeamte war damit natürlich auch freizusprechen und an den Vorwurf des „Grimassenschneidens“ bei der Lichtbildanfertigung, nachts, in Handschellen, auf einer Tankstelle, hatten sich nicht mal mehr die hessischen BFEler erinnern können. So war dieser Anklagepunkt des Widerstandes auch freizusprechen. Nun blieb ja nur die „Festnahmesituation“ an sich übrig, um überhaupt ein strafbares Verhalten zu konstruieren und so lautete die Verurteilung: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, durch Mit-den-Füßen-Strampeln und Anspannen der Muskeln, am Boden liegend, so dass die Beweissicherungs- und Festnahme-Einheit, kurz BFE, ihm sogar Handschellen anlegen „mussten“. Sei’s drum.
Das Urteil lautet: 50 Tagessätze zu je 8,-Euro, also 400 Euro Geldstrafe. Konstantin wird für die unrechtmässig „erlittene“ Inhaftierung, unter besonders erschwerten Bedingungen aufgrund der Sprachbarriere, vom 8. Juli bis zum 13. November 2017 eine Haftentschädigung von 2600,- Euro zugesprochen. Damit ist der russische NoG20 Aktivist der erste G20 Gefangene, dessen Inhaftierung als unverhältnismässig gilt und von daher entschädigt wird. Allerdings verfügte die vorsitzende Richterin, dass er anteilig für die Prozesskosten aufzukommen hat und so wird er wohl eher noch was draufzahlen sollen.
Richterin Fischer verurteilte Konstantin nach Erwachsenen-Strafrecht, da sie findet, wer in Moskau in einer WG wohne und in einem veganen Café arbeite sei ja erwachsen. Nicht müde wurde sie zu betonen, dass der 20-jährige, der auf der Jugendgefängnis-Insel Hahnöfersand seinen 21. Geburtstag im letzten September feiern musste, ja immerhin ganz von Russland aus nach Hamburg gekommen sei, um sich an den NoG20 Protesten zu beteiligen, schwarze Klamotten im Sommer getragen habe und sich dem Risiko bewusst gewesen sein muss, mit dem Gewaltmonopol des deutschen Staates in Konflikt zu geraten. Also ziemlich erwachsen und ein bisschen selber Schuld.
Die beiden Verteidiger*innen Konstantins hatten einen Freispruch in allen vier Anklagepunkten gefordert und auch noch einmal eindringlich davor gewarnt, das Verfahren als Teil einer juristischen G20 Aufarbeitung zu benutzen. Angeklagt seien hier nicht die Proteste in all ihrer vielfältigen Form gegen das Spektakel der Macht, was Herr Scholz & Co in dieser Stadt abfeiern wollten – angeklagt sei hier nur Konstantin und eigentlich wäre es Aufgabe des Gerichts ihn vor staatlicher Willkür und unrechtmässiger Verfolgung zu beschützen und nicht andersherum.
Wenn der grausame Richter Krieten in dem Skandal-Urteil gegen den jungen Amsterdamer Peike (2Jahre und 7Monate Haft für angeblich Werfen von zwei Flaschen) findet, Polizisten seien kein „Freiwild“ für die „anpolitisierte“ Spassgesellschaft, dann, so ähnlich formulierte es die Verteidigung am Dienstag, dann, ja dann sei das ja wohl eher genau anders herum. Dann seien Protestierende und gerade Bürger eines autoritären Staates, der die Grundrechte „seiner“ Bürger mit Füssen träte, die aus mehr als einem guten Grund, den weiten Weg hierher auf sich genommen hätten, um hier ihr angeblich verbrieftes Recht auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit wahrzunehmen, wie Konstantin – kein Freiwild für Polizeibeamte und staatlichen Verfolgungswillen.
Schon die Richter*innen, die die Untersuchungshaft-Befehle unterschriebenen haben und die Richter*innen, die die Haftprüfungen stets pauschal mit Fluchtgefahr begründet ablehnten, haben sich dem Druck der Politik gebeugt und ihren Teil dazu beigetragen, dass sämtliche G20 Verfahren eben doch politische Prozesse eines rachsüchtigen, immer autoritärer werdenden Polizei-Staates sind. Der Versuch jede Form von Protest und Widerstand mit Hilfe der Strafprozessordnung zu unterdrücken. Das nennt man gemeinhin staatliche Verfolgung.
Nun ist das Amtsgerichtsverfahren gegen Konstantin also beendet und selbstverständlich legt die Verteidigung Berufung ein. Wir werden uns also am Landgericht in ein paar Monaten wohl alle wieder sehen. Aber der junge NoG20 Aktivist kann zumindest nach mehr als 10-monatigem Zwangsaufenthalt in Hamburg, erst einmal wieder nach Hause fahren.
Es gilt auch immer noch die Ausweisung und 5 jährige Einreisesperre zu bekämpfen, die die Innenbehörde, bzw. die Hamburger Ausländerbehörde gegen Konstantin verhängt hat, völlig unabhängig vom Ausgang des Strafprozesses. Dafür hat er noch zusätzlich eine Anwältin für Migrationsrecht, die sich nun auch um die bürokratischen Hürden des deutschen Staates, wie eine sogenannte Grenzübertrittsbescheinigung, kümmern muss, damit Konstantin überhaupt das Land verlassen kann. Auch sein Reisepass wurde konfisziert und muss erst noch aus den Fängen der Ausländerbehörde befreit werden.
Wir wünschen unserem Freund und Genossen Konstantin alles Gute und eine baldige Heimreise. Wir hoffen alle sehr, dass er in Russland keinem zu großen Repressionsdruck ausgesetzt sein wird und ihm dort nicht das gleiche Unrecht widerfährt wie hier in Hamburg. Wir sehen uns hoffentlich alle bald wieder und bleiben bis dahin natürlich in Kontakt.
Es bleibt dabei: NoG20!
Freispruch und Reisefreiheit für Konstantin!
Stoppt die staatliche Verfolgung hier und auch in Russland!
FCK BFE!
FCK FSB!
United We Stand!