Die Prozesstage vor dem 14.2. folgen hoffentlich bald.
Am 14.2. wurde der Polizeizeuge Möller vernommen. Er hatte aus der so genannten Bild- und Videoauswertung Videos zur Identifizierung des Angeklagten erhalten. Diese hatte er gar nicht selbst analysiert, sondern Analysen übermittelt bekommen. Nach dieser Schilderung war man von einem so genannten „Entmummungsvideo“ ausgegangen, auf dem im Bereich Paul-Nevermann-Platz/Präsident-Krahn-Straße eine fünf- oder sechsköpfige Personengruppe zu sehen sei, die schwarze Bekleidung und Vermummung im Laufen abnimmt.
Die Polizei glaubt, hier Loic erkannt zu haben, wobei im vorhandenen Videomaterial gesucht wurde, wo die Person, die Loic sein soll, sonst noch gewesen sein könnte. Wegen der Vermummung gingen sie hierbei nach Statur und Größe. Die Polizei behauptet ihn dann u. a. an der Volksbank Max-Brauer-Allee beim Ablegen eines pyrotechnischen Knallgegenstandes in einen Hauseingang gesehen zu haben – wie gesagt, nur anhand von Größe und Statur. Daneben soll auch noch eine weitere Person mit weißen Applikationen an den Handschuhen gewesen sein, die sowohl in der Max-Brauer-Allee als auch am Bahnhof bei der nach Größe und Statur zugeordneten Person gewesen sein soll.
Danach wurde einer der Inhaber des Transmontana als Zeuge der Anklage vernommen. Das Transmontana ist ein Restaurant gegenüber der Roten Flora im Schulterblatt in Hamburg. Er sagte aus, dass er einer flaschenwerfenden Person den Rucksack weg genommen habe. Er habe diesen erst einbehalten und dann, nachdem er Personaldokumente im Rucksack gefunden habe, habe er ihn weiter an die Polizei gegeben. Im Rucksack soll unter anderem eine ID-Karte mit einem Kinderfoto von Loic gewesen sein.
Der Mit-Inhaber des Transmontana führte weiter aus, dass er sich über die Person geärgert habe, weil diese Flaschen habe werfen wollen, obwohl gegenüber Sanis einen Menschen behandelt hätten. Er habe ihn mehrfach durch Wegnahme der Flaschen entwaffnet. Dann habe er ihm den Rucksack weg genommen. Näher beschreiben konnte er die Person nicht.
Zum Ende des Prozesstages hat die Richterin mit einem 16-seitigen Beschluss die Haftbefehle gegen Halil und Can aufgehoben. Die Fluchtgefahr sei nicht gegeben. Einerseits sei die familiäre und studientechnische Einbindung hervorragend, andererseits sei die Straferwartung nicht so hoch, dass von einer Flucht ausgegangen werden könne. Der Haftbefehl gegen Loic wurde nicht aufgehoben, so dass Loic immer noch in U-Haft ist. Die Staatsanwaltschaft hat sofort angekündigt, gegen den Beschluss Beschwerde einzulegen – am 22.2. dann aber überraschend verkündet, dass sie doch KEINE Beschwerde einlegt.
Am 15.2. sind Can und Halil genauso wie die anderen Angeklagten erschienen und haben damit die von der Staatsanwaltschaft behauptete Fluchtgefahr widerlegt.
Im Gegensatz zu ihnen erschien der erste Staatsanwalt Paschkowski nicht. Es wurde kein Grund genannt, wahrscheinlich arbeitete er aber – erfolglos – an der Beschwerde gegen die Haftentlassung. Die Verteidigung nahm diesen Punkt auf und benannte die Dreistigkeit der Staatsanwaltschaft, die einerseits die Verteidigung schwächen will und darum das Oberlandesgericht dazu brachte, die zweiten Pflichtverteidiger*innen zu entpflichten, da ein*e zweite*r Verteidiger*in nicht nötig sei, und nun andererseits selbst ganz offensichtlich arbeitsteilig agiert.
Danach wurde der Polizeizeuge Klafak gehört. Eigentlich ist er BeDo-Beamter bei der Bundespolizei Uelzen, hat sich aber freiwillig zur SoKo Schwarzer Block gemeldet, um dort Bild- und Videoauswertung zu machen. Er sollte etwas sagen zum so genannten „Zusammenschnitt Elbchaussee“. Ein künstlich aufgeblasenes Propaganda-Video der Polizei, in das er alle Einzelvideos, die über das nach dem G20 eingerichtete Denunziationsportal hochgeladen wurden oder auf anderem Weg an die Polizei gelangten, zu einem 40-Minuten-Streifen zusammengeschnitten hat. Die Befragung hat nicht viel ergeben, der Polizeizeuge wusste nicht mehr besonders viel von seiner einjährigen Tätigkeit bei der SoKo. Er log mehrfach, u. a. sagte er, dass er keine Kürzungen und auch keine Veränderungen an den Videos vorgenommen habe – beides hat er getan. Auch er war wieder kein „Ermittler“, er will ausschließlich Anweisungen von „Ermittlern“, deren Namen er nicht erinnern konnte oder wollte, zu Zeitpunkten, an die er sich nicht mehr erinnert, entgegengenommen und diese dann in einer Art und Weise, an die er sich auch nicht erinnert, umgesetzt haben.
Bei der SoKo habe er an einem Rechner mit zwei Monitoren gesessen und Videos angeschaut. Er habe sich aus der Videodatenbank zufällig Videos ausgesucht und diese dann je nach Verfahrensrelevanz angesehen. Dafür habe er kleine Vorschaubildchen zu den Videos gesehen und danach entschieden, ob er sich die ansieht oder nicht. Eine Systematik habe er dabei nicht gehabt. Er habe eben gewusst, dass es beim Komplex Elbchaussee hell gewesen sei, so dass alle Videos mit dunklem Hintergrund ausgeschieden seien. Genauso sei es gewesen, wenn beispielsweise ein Video die Reeperbahn zeigte, das habe er dann auch nicht angesehen, weil das ja nicht die Elbchaussee sei. Ansonsten hätten ihm die Ermittler immer gesagt, welches Video er sich ansehen und benutzen soll. Das habe er dann auch gemacht und im Laufe des Jahres, das er bei der SoKo verbracht habe, das 40-minütige Gesamtvideo zusammengestellt.
Auch, was die angebliche Identifizierung von Loic angeht, konnte er nicht viel sagen, da er auch hier nur Anweisungen befolgt und sich selbst keine eigenen Gedanken gemacht habe.
Am 20.2. wurden mehrere Zeug*innen gehört, auf die die Staatsanwaltschaft zentrale Punkte ihrer Anklage stützt. Es ging um die Behauptung, der Beginn des „Marschs“ durch die Elbchaussee sei eine Versammlung im Donners Park gewesen. Hier hätten sich alle getroffen, gemeinsam umgezogen und seien dann losmarschiert. Dies sei nur mit gemeinsamer Planung möglich.
Diese Thesen der Staatsanwaltschaft lösten sich im Laufe der Verhandlung in Luft auf.
Die drei vernommenen Zeug*innen sagten aus, dass sie das, was in den Vermerken der SoKo stand, so nie gesagt hatten. Sie könnten ausschließen, sich so gegenüber der Polizei geäußert zu haben. Zur Verdeutlichung: Ein Zeuge stellte klar, dass er gar nichts konkretes habe sehen können, da er an der Elbe joggen war. Bei einem anderen Zeugen ging es um einen Satz, mit dem die angebliche Koordinierung der Protestierenden belegt werden sollte. Dieser Zeuge stellte klar, dass dies Quatsch sei, das müsse die Polizei falsch verstanden haben. Aussagen beider Zeugen wurden, weil sie aus Sicht der Staatsanwaltschaft so gut passten, mit in der Anklage aufgenommen. Kein Wunder, nach dem Verhandlungstag ist klar: die SoKo hatte sie sich extra dafür ausgedacht.
Am 21.2. wurden weitere Anwohner*innen der Elbchaussee vernommen, die aber wenig aussagen konnten. Entweder hatten sie es nur knallen gehört oder nur auf den eigenen brennenden Papiercontainer geachtet. Grundsätzlich wurde klar, dass ein Eindruck von den Zeug*innenaussagen vermittelt wurde, der in der Realität nicht haltbar ist. Ob das an schlechter Polizeiarbeit oder an absichtlichem Aufbauschen liegt, kann im Moment nicht beurteilt werden.
Am 22.2. gab es nur einen Sprungtermin, der nur gemacht wurde, damit die Pause bis zum nächsten Termin am 18.3. nicht zu lang ist. Die Richterin will dann Zeug*innen, die Videos auf das Denunziationsportal gestellt haben hören. Natürlich nur die, die ihre Daten angegeben haben. Die, die die vorgesehenen Möglichkeit auch anonym zum Denunzieren wahrgenommen haben, können entsprechend auch nicht geladen werden. Klar wurde am 21.2. auch, dass das Verfahren länger gehen wird als bisher terminiert. Die Richterin will weitere Termine nach dem 10.5. vereinbaren.