Gericht will Haftstrafe für Flaschenwurf nach Welcome To Hell-Demo beim G20-Gipfel

Ein Genosse aus Kiel wurde am Freitag, den 6.9.2019, in Hamburg in einem typischen G20-Prozess zu einer Haftstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten ohne Bewährung verurteilt – für einen angeblichen Flaschenwurf und Widerstand bei der Festnahme am Abend des 6.7.2017, nach der Zerschlagung der Welcome To Hell-Demo. Juristisch sei das Landfriedensbruch, versuchte Körperverletzung, tätlicher Angriff und Widerstand.

In neun, teils sehr kurzen Verhandlungstagen kam heraus, dass zwei Polizisten gesehen haben wollen, wie der Genosse im Schanzenviertel eine Flasche geworfen und sich danach der Verhaftung widersetzt habe. Die Verteidigung stellte fest, dass die in einem Video festgehaltenen und von den Polizeizeugen identifizierten Flaschenwürfe und das erinnerte Verhalten der Polizisten nach dem Wurf nicht zueinander passten. Dennoch erklärte die Staatsanwältin, dass zwar nicht genau festzustellen sei, welche Flasche genau geworfen wurde, aber die Polizisten haben ausgesagt, der Angeklagte habe eine Flasche geworfen und das würde für eine Verurteilung reichen. Sie plädierte auf 1 Jahr und 10 Monate ohne Bewährung. Die Verteidigung hob nochmal hervor, dass die Berichte lückenhaft wären, die Staatsanwaltschaft weitere Ermittlungen und Befragungen der Zeugen aber nicht für nötig hält und dass es keinerlei objektive Beweise gäbe. Die bestehende Versammlung (aus den Resten der Welcome To Hell-Demo) wurde nicht aufgelöst und der dort erfolgte Wasserwerfereinsatz nicht angekündigt – damit müsste eigentlich jeder Widerstand oder tätliche Angriff straffrei ausgehen.

Dem Vorwurf der Verteidigung, das Gericht würde in unpolitischen Verfahren anders entscheiden und sich in den G20-Prozessen an die Vorgaben der Politik halten, widersprach Richter Hinkelmann, nur um einige Zeit später den Genossen mit dünner Beweislage zu einer Haftstrafe ohne Bewährung zu verurteilen – also kurz: zu versuchen ihn in den Knast zu stecken. In der Urteilsbegründung ging er auf die Argumente der Verteidigung nicht ein, wies jedoch darauf hin, dass es mit einer Distanzierung oder Entschuldigung vielleicht Bewährung gegeben hätte – ganz klar ein Versuch einzuschüchtern und in kommenden Prozessen Distanzierungen zu erpressen. Der betroffene Genosse machte jedoch konsequent keinerlei Aussagen.

Wie bei allen G20-Prozessen zeigt sich im ganzen Verfahren und im Urteil die hohe politische Motivation: Für einen Flaschenwurf, bei dem niemand verletzt und der nicht bewiesen wurde, soll jemand in den Knast. Als Rote Hilfe stehen wir solidarisch hinter dem Genossen, auch wenn es in die Berufung oder Revision geht – das letzte Wort in diesem Prozess ist noch nicht gefallen.

Rote Hilfe e. V.
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