Der 22. G20 Prozess endete mit einer Haftstrafe von 1 Jahr und 1 Monat auf 3 Jahre Bewährung. Richter Kloß zeigte sich in seiner Strafzumessung kulant, wobei er allerdings bei der Verurteilung wie die Staatsanwaltschaft die Tatbestände als erwiesen ansah, obwohl der eine Zeuge log und der andere sich widersprach.
Begleitet wurde die Verhandlung von einem unangenehmen Vorfall, der sich außerhalb des Gerichts ereignete. 10-15 italienische und deutsche Unterstützer*innen des Angeklagten wurden auf dem Weg ins Gericht, in einem Café in dem sie frühstücken wollten, eineinhalb Stunden von ca 30 Bereitschaftspolizist*innen festgehalten. Es wurden dabei Personalien festgestellt und Fotos gemacht. Begründet wurde dies damit, dass sie „einige vom G20 erkannt hätten“. Obwohl es gegen diese Maßnahmen keinen aktiven Widerstand gab, wurden sie am Gehen und dem Zugang zur Verhandlung gehindert. Nach Aussage der Betroffenen durften auch keine weiteren Leute das Café betreten. Einem Anwalt, der von einer Betroffenen kontaktiert wurde, ist der Zugang verweigert worden. Des Weiteren wurde ihnen verboten, ihre Telefone zu nutzen.
In der Hauptverhandlung wurde von der Verteidigung von diesem Vorfall berichtet, woraufhin Richter Kloß, Staatsanwältin Meesenburg und die Verteidigung rausgingen, um dies zu überprüfen. Nach ihrer Rückkehr verkündete der Richter an den Angeklagten , dass dies eine polizeiliche Maßnahme sei, die nicht vom Gericht angeordnet wurde und dass er darauf keinen Einfluss habe. Er selbst fände den Zugang der Öffentlichkeit zu seinen Verhandlungen wichtig.
Zuvor war die Verhandlung einigermaßen nach Plan abgelaufen. Zu Beginn der Verhandlung war keine Presse im Raum, weshalb der Richter die Verhandlung eröffnete. Kurz nach Beginn erschien die bereits bekannte Reporterin von der BILD, die ihren Fotografen hereinrief, der einfach Bilder machte, obwohl Richter und Verteidigung protestierten.
Es folgt die Verlesung der Anklage. Dem Angeklagten wird vorgeworfen am Abend des 6.7. im Anschluss der Welcome- to Hell – Demonstration Flaschen auf Beamte in Schutzkleidung geworfen zu haben. Die Anklage lautet daher gemeinschaftlich begangener erhebliche Körperverletzung mit einem gefährlichen Werkzeug und tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte.
Hiernach legte Richter Kloß eine 25minütige Pause ein, da die Zeugen, der Tatbeobachter Hartmann (TaBo) in Verkleidung und der Beamte Rappe erst um 9.30 im Gericht sein konnten.
Vorher stellte die Verteidigung einen Antrag auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Einsatz der TaBos und damit als Zeugen in diesem Verfahren. Nach Art. 8 fehle hier eine spezialgesetzliche Grundlage, die auch der Rahmenbefehl zum G20 nicht hergebe und der Auftrag ist somit rechtswidriger. Der Rahmenbefehl beinhalte zudem eine willkürliche Auslegung der Strafverfolgung, „sofortige Festsetzung Tatverdächtiger“. Weiterhin liegt hier eine willkürliche Strafverfolgung vor, ungeachtet dessen, dass es auch möglich sei, die Person zu verwechseln. In der Unübersichtlichkeit des Demonstrationsgeschehens sei es nicht auszuschließen, dass durch die Ablenkung von nur einem Augenschlag, dass die TaBos die ursprünglich beobachtete Person aus den Augen verlören. Der Rahmenbefehl schließe zwar die Täterergreifung mit ein, jedoch nicht die bloße Beobachtung. TaBos bewegen sich damit in einem rechtsfreien Raum. Der TaBo gehört zudem einer hessischen Polizeieinheit an.Der Befehl zum Einsatz der TaBos ist nicht auf Grundlage des § 163 StPO erteilt worden, er hätte somit auch nicht befolgt werden dürfen. Somit liegt hier ein Verstoß gegen §173 StPO vor.
Die Staatsanwaltschaft lehnte diesen Antrag rigeros ab, mit der Begründung, dass der TaBo von der Stadt Hamburg nach § 163 StPO ermächtigt worden war. Gedeckt sei dieses von einer Ermittlungsgeneralklausel. Zu dem Zeitpunkt waren bereits diverse Straftaten in Form von Flaschen -, Stein-, und Böllerwürfen erfolgt. Eine Versammlung sei rechtlich nur da geschützt, wo die Versammlungen friedlich abliefen. Daher sei es zulässig, die Zeugenaussage des TaBos vor Gericht zu verwerten. Dem pflichtete Richter Kloß bei und der Zeuge wurde hereingerufen.
Der Zeuge, Michel Hartmann, Polizeibeamter aus Hessen, verkleidet mit einer schlechten Vokuhila-Perücke und viel zu viel Make-Up nuschelt beim Schildern der Ereignisse am Abend des 6.7. Ihm seien später am Abend, 2 Personen mit großen Bierflaschen aufgefallen, die am Rande des Geschehens in der Max – Brauer-Allee standen. Die zwei seien die gesamte Zeit zusammen gewesen, „wie Geschwister“ und hätten dann schließlich fast synchron die Flaschen gegen 23:20 Uhr auf die anrückenden Einsatzkräfte geworfen. Diese seien dann an den Helmen zerbrochen. Die Einsatzkräfte seien dann weiter vorgerückt, während die vermeintlichen Werfer sich zügig Richtung Holstenstr. entfernten und dann in einen Kiosk unter der Sternbrücke gingen. Der TaBo Hartmann und ein weiterer Kollege sind seit dem Wurf an ihnen dran gewesen, zwischendurch habe er die Kollegen informiert. Er habe die ganze Zeit an der Tür gestanden und den Angeklagten, „die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen“. Nachdem sie aus dem Kiosk kamen, ohne etwas gekauft zu haben, habe er noch beobachtet, wie der Angeklagte und seine Begleitung, ihre „schwarzen Kapuzenjacken auszogen“. Der Beschuldigte trug jetzt eine graue Adidas-Jacke mit roten Streifen. Die Festnahme habe er noch beobachten können. Auf die Frage von Richter Kloß nach der 2. Person und warum sie nicht den auch nicht festgenommen hätten, murmelte der TaBo etwas davon, dass er die 2.Person hätte schlecht beschreiben können. Auf die Frage nach den Einzelheiten zur Funkübermittlung mauert der Zeuge.
Mitten in der Befragung fällt dem Richter erst ein, den Beamten nach seiner Aussagegenehmigung zu fragen. Der TaBo Hartmann reicht die nach vorne zum Richterpult.
Es folgen Fragen zu der Art der Würfe und ob die getroffenen Beamt*innen Schutzkleidung trugen. Die getroffenen Beamt*innen haben sich jedoch nicht ermitteln lassen und verbleiben unbekannt. Zwischen den Flaschenwürfen und der Festnahme vergingen ca. 30 Minuten.
In der Zwischenzeit klingeln wiederholt mehrere Handys der Zuhörenden. Sichtlich entnervt verweist Richter Kloß auf die Handy- Politik im Gericht und verliert den Faden in der Zeugenbefragung. TaBo Hartmann muss ihm auf die Sprünge helfen und fährt mit der Personenbeschreibung der vermeintlichen Flaschenwerfer fort. Einer sei kleiner gewesen, habe einen Rucksack getragen, dunkelblaue Jeans, vermummt sei er mit einem roten Tuch gewesen, was er erst als Innenfutter der Jacke dachte und dann als Vermummung deklarierte. Die 2.Person sei größer und kräftiger gewesen und „identisch gekleidet.“ Der Richter fragt, wie er den Festnahme-Kräften die Personen beschrieben habe. Der Tabo meint, er habe versucht beide Personen zu beschreiben, aber dass die orangenen Streifen an der Jacke am auffälligsten waren und daher gut erkennbar. Der Richter fragt weiter, ob die Person von der Festnahme in der Person im Gerichtssaal wiedererkenne. Der TaBo schaut kurz hin, zögert sichtlich und meint dann, dass er ja die Jacke angehabt habe und keine Brille trug. Es folgt die Aufzählung der persönlichen Gegenstände, die sich bei dem Angeklagten bei seiner Durchsuchung fanden. Diese seien 2 Basecaps, eine Sonnenbrille und eine graue Jacke gewesen, jedoch keine Spur von einem roten Tuch. Der Richter fragt, wo dieser dann abgeblieben sei. Der TaBo verweist darauf, dass sie sich umgezogen hätten. Weiterhin kommt heraus, dass zwischen Kiosk und Festnahme etwa 5 Minuten vergingen, die dann Richtung Shell-Tankstelle an der Max-Brauer-Allee erfolgte.
Staatsanwältin Meesenburg versucht die Auflistung über den fehlenden Vermummungsgegenstand mit der Aussage eines anderen, unbekannten Beamten zu relativieren. Die Verteidigung widerspricht, dass diese Aussage eines unbekannten Zeugen eine Diskrepanz darstelle, aber nicht einfach in die Beweisaufnahme eingeführt werden könne. Es zeigt sich ein weiterer Widerspruch in der von Hartmann beschriebenen Wurfweite, die von der ursprünglichen Angabe deutlich abweicht.
Die Verteidigung fragt nach, wo der Zeuge die Uhrzeit des Wurfes genau aufgeschrieben habe bzw was die Quelle sei. Er antwortet, dass er diese in sein Handy eingetippt habe, als es im Nachhinein ruhiger wurde. Auf Nachfrage meint er aber, dass er diese nicht mehr gespeichert habe. Auch Video-oder Bildaufnahmen existieren nicht. Als die Verteidigung jedoch nachfragt unter welcher Funktion, wird er verstockter, fängt an zu mauern und beruft sich schließlich auf seine begrenzte Aussagegenehmigung, da dies ein „Kommunikationsmittel der Polizei“ sei. Verwundert merken Verteidigung und Richter an, dass an einem Handy und der Notizfunktion eigentlich nichts Hochbrisantes sei und die Schweigepflicht sich auf technische Einrichtung und Einsatzmittel beschränkt. Auch die Frage danach, ob das Handy eingesetzt wurde, verweigert er, sowie die Frage danach, ob das Handy mit einer Tastensperre geschützt sei. Nach einigem Hin und Her stellt sich heraus, dass das Handy in keiner taktischen Funktion, sondern lediglich als eine Art Notizzettel funktionierte und damit auch zu den Akten gehen müsse. Die Verteidigung merkt an, dass in dem Augenblick, wo TaBo Hartmann die Uhrzeit ins Handy tippte, er den vermeintlichen Werfer nicht im Auge hätte haben können. Es wird weiter nach der Vorbereitung auf seine Aussage in der Verhandlung gefragt. Der Zeuge antwortet, er habe sich die Örtlichkeiten nochmals auf Google Maps angeschaut und den Festnahme-Ort anhand der Hausnummern abgeglichen. Diese hätte er, wie die Uhrzeit auch, in seinem Handy notiert gehabt. Der Zeuge war an diesem Tag bereits seit Mittag im Einsatz gewesen, sein Auftrag sei es gewesen, „erkannte Straftäter“ der Festnahme zuzuführen. Auf die Frage der Verteidigung danach, wie viele er denn an diesem Tag „zugeführt“ hatte, druckst er ein bisschen und gibt schließlich an, dass er nur den Angeklagten an diesem Tag überführte. TaBo Hartmann spricht während seiner Aussage immer wieder im Plural. Auf die Frage allerdings, wie viele andere Kolleg*innen mit ihm im Einsatz war, will er zunächst wieder nicht antworten. Aufgrund der Unsicherheit wird überlegt, ob eine Erlaubnis vom Dienstvorgesetzten eingeholt werden sollte, was allerdings noch einen weiteren Verhandlungstag in Anspruch nehmen würde. Die Verteidigung wird nun energischer und merkt scharf an, dass dies unfair sei, da ihr Mandant in U-Haft säße.Hartmann sei einen Tag vorher angereist, um morgens zeitig in die Maske gehen zu können. Mit dieser ganzen Prozedur würde dies weiter Zeit in Anspruch nehmen, sprich weitere Tage in U-Haft für den Angeklagten bedeuten. Sie fragt abermals danach, wie viele Kolleg*innen er nach der Tatbeobachtung benachrichtigte. Als Hartmann wieder mauern möchte, greift der Richter ein und merkt an, dass im Protokoll der Vernehmung bereits 3 Kolleg*innen vermerkt seien. Die Verteidigung möchte weiter wissen, wo sich diese befanden und wie er sie benachrichtigt hätte. Der TaBo gibt an, dass er sie mündlich und persönlich informierte und diese sich hinter ihm befanden. Es wird wieder auf die Frage nach der Prozessvorbereitung eingegangen, des weiteren wie und mit wem er nach Hamburg gereist sei. Es stellt sich außerdem heraus, dass er und der weitere Zeuge, Rappe zusammen angereist seien, bis auf die Maske die meiste Zeit zusammen waren und auch beide im Hotel Altona übernachteten. Plötzlich fällt dem Zeugen auch ein, dass er doch noch Akteneinsicht gehabt hätte, obwohl er zuvor darauf bestand, sich ausschließlich anhand von Telefonaten und nicht von Berichten informiert zu haben. Mit Bezug auf den Tag könne er aber nicht mehr sagen, wer den Angeklagten durchsuchte und wo die Sachen verblieben seien. Auf Frage nach der Situation vor Ort, er sei von Anbeginn dabei gewesen, es wäre keine Demonstration erkennbar gewesen, es waren überall Kleingruppen zerstreut. Weiterhin gibt er an, dass er und seine Kolleg*innen „ständig an diesen schwarz Vermummten dran gewesen waren.“ Eine Stellungnahme, die von der Verteidigung verlesen wird, behauptet das Gegenteil: Es haben sich nach der Auflösung am Fischmarkt zwei neue Demos mit jeweils eigener Versammlungsleitung gebildet, die am Nobistor zusammengeführt wurden.Weiterhin, dass diese dann in der Max-Brauer-Allee endete, wo sie auf geschätzte 8000 Personen angewachsen war. Die Stimmung sei aufgeheizt gewesen und es gab mit Unterbrechung immer wieder Wasserwerfer-Einsätze und Gerenne. In einer dieser Pausen wurde der TaBo auf den Angeklagten und seine Begleitung aufmerksam. Vor dem Wurf, den er beobachtete, hätten sie etwa ein paar Minuten abseits der Menge gestanden.
Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass nicht nur die beobachteten Personen Flaschen warfen, sondern diese aus allen Richtungen auf die vorrückenden Beamt*innen zielten. Es folgen weitere Fragen zu Einzelheiten der Vernehmungen des TaBo’s in der GeSa Harburg und einmal durch einen Fragebogen im Beisein eines Beamten auf der Dienststelle in Hessen. Es wirft Fragen auf, dass die Vernehmung anderthalb Stunden dauerte, aber nur 1,5 Seiten Protokoll entstanden. Der TaBo meint es hätte keinen zeitlichen Druck gegeben und er habe in Ruhe dem diensthabenden Beamten Lembke seine Wahrnehmung schildern können. Mit Kolleg*innen auf der Straße hätte er nach der Festnahme nicht mehr gesprochen. Die Verteidigung fragt, ob er sich das Protokoll nochmals durchgelesen habe und ob alles stimmte. Beides bejaht der Zeuge. Die Wahrnehmung der Straftat und der Täter*innen wurde vorher an Kolleg*innen in zivil weitergegeben und er habe das „weiter gesteuert.“ Wie er das gemacht habe, dazu werde er nichts sagen. Zum Protokoll der Vernehmung in der GeSa sagt er noch, dass der Beamte Lembke das fertige Protokoll der Staatsanwaltschaft vorgelegt habe, der TaBo bestätigt, dass es keine ergänzenden Fragen gab. Die Verteidigung merkt an, dass eine deutliche Diskrepanz zwischen den Vernehmungszeiten vom festnehmenden Beamten Rappe, der max. 20 Minuten vernommen wurde und den 1,5 Stunden des TaBo. Die Staatsanwältin springt dem Zeugen bei und ergänzt, dass es üblich war der Staatsanwaltschaft nochmals über das Protokoll schauen zu lassen. Die längere Zeit rechtfertigt sie damit, dass es ja auf den TaBo ankäme und nicht auf den festnehmenden Beamten.
Zuletzt fragt die Verteidigung, was er mit Herrn Rappe auf dem Weg nach Hamburg gesprochen hätte. Der TaBo erzählt, dass sie oberflächlich über den Vorfall und die Nachbereitung auf dem Revier gesprochen hätten. Damit ist der TaBo Hartmann als Zeuge entlasssen. Bevor der zweite Zeuge hereingerufen wird, gibt die Verteidigung eine Erklärung zur Verkleidung des TaBo und seiner Verwertbarkeit als Zeugen ab.
In dieser wird bemängelt, dass die Verkleidung unzulässig sei, da nicht erkennbar ist, dass der Zeuge Gefahren ausgesetzt ist. Der Antrag der Genehmigung wird mit zukünftigen Einsätzen begründet, aber keine weiteren Gefahren angeführt. Hier sieht die Verteidigung einen Verstoß gegen das richterliche Abwägungsgebot. Weiterhin ist es fragwürdig, dass beide Zeugen zugleich und zusammen angereist seien. Hartmann ist nicht der einzige Zeuge, trotzdem ist seine Aussage das einzige Beweismittel, ohne ihn gäbe es keine Anklage. Es existiert ein Widerspruch in seiner Aussage, dass er die Täter*innen die ganze Zeit im Blick hatte, denn zumindest in dem Zeitraum, wo er die Daten in sein Handy eintippte, konnte er sie nicht weiter beobachten. Hiermit lege sie Widerspruch gegen die Verwertung seiner Zeugenaussage ein. Die Staatsanwältin lehnt dieses ab mit der Begründung, dass die Verfremdung sehr wohl zulässig sei, denn es habe vorher ein schriftliches Gesuch gegeben wegen Maske und auch damit verbundener früher Anreise. Weiterhin sei auch die Mimik des Zeugen „nicht verdeckt“ gewesen.
Es folgt die Verlesung der Einlassung des Angeklagten aus der Haftprüfung, in der er lediglich zu Protokoll gibt, vor Ort gewesen und mit seiner Freundin unterwegs gewesen zu sein. Er habe aber keine Flasche geworfen. Als die Wasserwerfer eingesetzt wurden, zog er sich eine Regenjacke an und bewegte sich mit seiner Freundin Richtung Sternbrücke. Dort zog er die Jacke wieder aus und ging in einen Kiosk um Bier zu kaufen und wurde dann wenig später festgenommen. In die Beweisaufnahme wird noch ein Bild von einem privaten Handy eingeführt, das den Beschuldigten um 23:50 mit einem Bier in der Hand zeigt.
Hiernach wird der 2. Zeuge, der Polizeibeamte Fabian Rappe hereingerufen, der den Beschuldigten mit einem anderen Kollegen festgenommen hatte. Zuvor war ein Funkspruch mit einer Beschreibung erfolgt, es hat eine kurze Absprache gegeben und dann sei der Zugriff erfolgt. Die Festnahme erfolgte an einer Kreuzung stadteinwärts. Bei der Festnahme hatte der Angeklagte eine Bierflasche in der Hand, die dann bei dem Gerangel zerbrach. Es wurden dabei Handbeugehebel verwendet. 2-5 Minuten später bekamen sie das Feedback über Funk, dass sie den Richtigen hätten. Auf Nachfrage gibt es Unklarheiten bezüglich der Uhrzeit der Festnahme, Rappe meint 23:45, sein Kollege Hössel 23:50. Zusätzlich gibt der Zeuge Rappe eine Hausnummer an vor der die Festnahme vorgenommen wurde. Der Richter fragt wie er auf diese käme, Rappe bezieht sich in seiner Antwort auf den Kurzbericht. Es folgen Fragen zur Durchsuchung und was bei dieser gefunden wurde. Rappe zählt auf: „Rucksack, T-Shirt, 2 Sturmhauben – eine rot, Bauchtasche, Portemonnaie mit Papieren.“ Die Verteidigung, aber auch Staatsanwältin werden angesichts dieser Aufzählung stutzig, denn laut Bericht wurden beim Angeklagten 2 Basecaps, eine Sonnenbrille und eine graue Jacke gefunden – keine Sturmhauben. Der Zeuge redet sich raus, dass es „irgendein Vermummungsgegenstand“ gewesen sei. Die Verteidigung hakt ein, dass die Fotos den Angeklagten nur in Cap und Jacke zeigten und fragt warum dass so sei. Der Zeuge meint lapidar, das sei so Vorgehensweise, dass die Festgenommenen, die Sachen, die mitgeführt werden für das Foto anlegen müssen. Auf Nachfrage, ob das alles gewesen sei, gibt er vor, es nicht mehr zu wissen. Der Kurzbericht, auf den sich der Beamte beruft, liegt in den Akten nicht vor. Die Staatsanwältin meint, dass der noch in der GeSa liegen müsse und sie „vergessen habe, diesen für die Akte anzufordern.“ Diese seien mehr sogenannte Durchschlag-Ankreuz -Bögen, auf die handschriftlich geschrieben werde. Der Richter schlägt vor ein Anschauungsexemplar von einem anderen Fall zu beschaffen. Die Verteidigung entgegnet, dass es nicht um den Aufbau, sondern den Inhalt des Berichts gehe und lehnt ab. Sie fragt dann, worüber sich der Zeuge Hartmann und er auf dem Weg nach Hamburg unterhalten hätten. Der Zeuge Rappe gibt an, dass sie über alltägliche Dinge und nicht über das Verfahren gesprochen hätten. Angesichts dessen, dass Hartmann soeben noch etwas anderes aussagte, belehrt ihn der Richter abermals vor Gericht die Wahrheit zu sagen. Die Verteidigung winkt verärgert ab und meint zum Zeugen, dass sie ihm gar nichts mehr glaube. Dieser wird damit entlassen und setzt sich zu den Zuhörenden.
Nach zwei Minuten Pause werden die persönlichen Verhältnisse zur Sprache gebracht. Der Angeklagte ist sozial und politisch engagiert, hatte eine vielversprechende Uni-Karriere vor sich, die aber aufgrund der U-Haft auf Eis gelegt werden musste. Zusätzlich hat er seine Arbeit verloren. Für Italien nicht unüblich, wohnt er noch zu Hause bei seinen Eltern und ist sozial fest eingebunden. Er ist weder in Italien in Deutschland vorbestraft.
Die Angaben werden aufgrund der Nachricht über oben beschriebenen Vorfall vor dem Gericht unterbrochen.
Die Staatsanwaltschaft fordert in ihrem Plädoyer 1 Jahr und 4 Monate Haft ohne Bewährung. Sie sieht die Vorwürfe als erwiesen an. Gestützt auf die ihrer Meinung nach widerspruchslosen und glaubhaften Schilderung des TaBo Hartmann. Der Angeklagte habe gemeinschaftlich eine gefährliche Körperverletzung gegangen und sei zur Tatzeit vermummt gewesen. Die Beschreibung des TaBo Hartmann stimmte, auch wenn keine Vermummungsgegenstände gefunden worden seien. Aber auch die Angaben des Zeugen Rappen stimmten, demnach seien ja sogar zwei Sturmhauben gefunden worden. Da der Angeklagte gemeinschaftlich mit der 2. Person handelte, sei ihm der 2. Wurf auch zuzurechnen. Sie sehe den Tatbestand der erheblichen Körperverletzung nach §224 StGB erfüllt und damit auch den nach §113/114 StGB. Strafmildernd sei hier nur zu berücksichtigen, dass es keine Verletzten gegeben habe, die 4 Monate U-Haft und dass er Ersttäter sei. Strafverschärfend sei hier die Tatsache, dass sie zwei Tatbestände vereinheitlicht sehe, dass es eine geplante Tat gewesen sei, da es schon vorher Würfe gab und der Angeklagte maskiert gewesen und entsprechend ausgerüstet gewesen sei. Die Änderung seines Erscheinungsbild durch das Ausziehen der Jacke sollte die Strafverfolgung erschweren. Dass er nicht gestehe, dürfe hier natürlich nicht strafverschärfend berücksichtigt werden, aber sie sehe trotz guter Sozialprognose hier auch keine besonderen Umstände, die eine Aussetzung der Haftstrafe auf Bewährung nach § 56.2 rechtfertigen würde.
Die Verteidigung merkte in ihrem Plädoyer an, dass die Anklage einzig und allein auf den Angaben des Zeugen Hartmanns in verschiedenen Varianten beruhe. Die Erklärungen des Zeugen kamen sehr spät. Als er die Uhrzeit und Hausnummer in sein Handy eintippte, war er einige Zeit abgelenkt und konnte so die vermeintlich Werfenden nicht im Auge behalten. Somit gäbe es Zweifel daran, dass ihr Mandant und die werfende Person identisch seien. Ein rotes Tuch oder rotes Vermummungsmaterial, wie Hartmann gesehen habe, ist bei ihm nicht gefunden worden. Es muss hier eine Verwechslung vorliegen, denn dies passe nicht mit den Berichten zusammen. Die Rechtfertigung der Festnahme wurde sich zurecht gebogen, alleine das Vorgehen gegen die Staatsgewalt würde als strafverschärfend gesehen. Es gäbe auch nur einen Zeugen, da Zeuge Rappe versucht hat zu lügen. Die beim Angeklagten gefundenen Gegenstände lassen nicht auf eine Tatplanung schließen. Auch die Behauptung von Hartmann, dass im Kiosk nichts gekauft wurde, aber der Angeklagte in seiner Einlassung von einem Bier sprach, was er sich im Kiosk kaufte und was von dem Handybild belegt ist, wecken Zweifel daran. Er kann also nicht als Täter festgestellt werden. In Richtung Staatsanwaltschaft verkündet sie, ihr Mandant habe sich heute vor Gericht nicht eingelassen, aber auf viele weitere Verteidigungsrechte verzichtet. Bereits die Anklageschrift sei widersprüchlich. Eine Flasche sei nicht konkret ein gefährlicher Gegenstand für eine Person in Schutzkleidung. Der Versuch einer erheblichen Körperverletzung kann wohl kaum auf Personen in Schutzkleidung zutreffen, denn es ist zweifelhaft, ob so ein Wurf geeignet sei, so eine erhebliche Verletzung zuzufügen. Eine Verletzung sei nicht gleich eine erhebliche Verletzung. Wenn es kein gefährliches Werkzeug sei, gäbe es keine erhebliche Körperverletzung und sei entsprechend nicht Vorsatz gewesen, weswegen § 113 nicht zuträfe. Es gäbe auch eine generelle Anzweifeln der Rechtmäßigkeit des § 114. Dieser wurde erst kurz vor dem G20 erlassen und werde verfassungsrechtlich höchst problematisch gesehen. Denn er bringe unverhältnismäßige Strafverschärfungen mit sich, obwohl noch nicht einmal jemand verletzt wurde. Die Gesetzesbegründung lautet, Beamt*innen, die Streifendienst versehen und um die Bürgernähe zu wahren, diesen ohne Schutzkleidung absolvieren, durch hohe Strafen vor Übergriffen, besser zu schützen. Dies träfe aber bei den G20 Protesten nicht zu, denn die dortigen Einsatzkräfte trugen bereits besondere Schutzkleidung und waren entsprechend ausgerüstet – warum dann nochmal den Extra-Schutz durch §114 anwenden? Hierdurch würde eine versteckte doppelte Bestrafung erfolgen. In den gesamten G20Verfahren wirkt es so, als ob die U-Haft zu einer Art Beugehaft mutiert sei. Die Leute denken nur, wenn sie in den Hauptverhandlungen reden, kämen sie raus. Grundsätzlich werden Freiheitsstrafen bis zu 1 Jahr auf Bewährung ausgesetzt, alles weitere sei Spekulation. Die U-Haft sei gegen die Unschuldsvermutung, denn nur weil ihr Mandant seinen festen Wohnsitz in Italien habe, müsse er seit fast 4 Monaten in U-Haft sitzen. Er habe genug erlitten, durch die lange Haft habe er den Anschluss in seinem Studium verpasst, sowie seine Arbeit verloren. Sie beantrage den Haftbefehl aufzuheben und fordere allenfalls eine Geldstrafe.
Die Staatsanwältin kann sich nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass der §113 und dessen Strafrahmen schon seit 2011 bestehen würde. Ihr war anscheinend entgangen, dass der Hauptkritikpunkt der §114 war.
In dem letzten Wort sagt der Angeklagte, dass er in der U-Haft anders behandelt wurde als inländische Gefangene und dadurch genug bestraft ist. Er habe ein Jahr an der Uni und seine Arbeit verloren. Er bittet dies im Urteil zu berücksichtigen.
Nach nicht mal 5 Minuten wird das Urteil gesprochen. Richter Kloß merkt in seiner Urteilsbegründung an, dass die letzten Worte des Angeklagten zeigen, dass er eingesehen hat, sich selbst geschadet zu haben. Er sieht ihn jedoch wie die Staatsanwaltschaft als schuldig.
Er fügt hinzu, er habe nichts gegen die Proteste gegen den G20, fände sie legitim und wichtig, solange sie friedlich sind. Das Ergebnis der Beweisaufnahme jedoch bestätigt die Anklage. Der Angeklagte hätte zusammen mit der anderen Person im Team agiert – sie hätten fast zeitgleich geworfen auf Einsatzkräfte in Schutzkleidung, dabei hätten die Flaschen die Helme getroffen und seien sogar zerschellt. Was für ihn zeigt, dass die Würfe einige Wucht hatten. Das mit der Vermummung ist unklar, denn diese sei ja nicht gefunden worden. Jedoch zeige auch die Jacke, dass er präpariert war. Es sei unumstößlich, die Tat wurde gemeinschaftlich begangen. Er uns seine Begleitung hätten sich gemeinsam bewegt und auch zusammen umgezogen, es habe zwischen ihnen ein „stillschweigendes Übereinkommen“ geherrscht. Es sei eine gefährliche Körperverletzung, denn eine Schutzkleidung mache die Einsatzkräfte nicht unverwundbar, es waren mit der Tat größere Verletzungen in Kauf genommen worden. An den Angeklagten gewandt, meint er aber auch, dass er glaube, dass dieser kein gewaltbereiter Mensch sei, aber Ohnmacht angesichts der Staatsübermacht rechtfertige nicht Gewalt. Dennoch: „Es reicht, dass man Sie eingesperrt hat.“ Die vorherigen Urteile in der Gesamtschau der Prozesse sehe er relativ, jeder müsse nach eigenen Schuldempfinden urteilen, nicht aber im Credo von Politik und Presse.
Er sehe das Verhalten des Angeklagten am 6.7. auch nur als ein Teil seiner Persönlichkeit, aber er meine, dass er auch viele andere Aspekte hätte. Dies zeige sein soziales Engagement. Er bewerte hier eine günstige Sozialprognose und sehe hier die Haftempfindlichkeit aufgrund langer U-Haft und Sprachbarriere als besonderen Umstand an und ordne deswegen an, die Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 1 Monat auf 3 Jahre Bewährung auszusetzen.