PEIKE – Prozessberichte vom 19.4. bis 24.5.

Peikes Berufungsverhandlung fand in wechselnden Räumen mit Trennscheibe statt, in die Gefangene gebracht werden können, ohne dass Kontaktmöglichkeiten mit Unterstützer*innen möglich sind.

Der 10. Prozesstag am 19.04. endete schnell. Die Richterin hatte versäumt, die Beamtin Beecken als Zeugin zu laden. Sie lehnte, trotz detaillierter Gegenvorstellung der Verteidigung, erneut den zuvor gestellten Beweisermittlungsantrag, Videomaterial beizuziehen, ab. Danach stellte die Verteidigung einen Antrag auf Beiziehung der Dienst- und Einsatzpläne, um zu beweisen, dass Kossnik nicht glaubwürdig sei. Er hatte angegeben, dass er nach der Festnahme von Peike noch einige Zeit im Dienst gewesen sei. Faktisch endete sein Dienst aber kurz nach der Festnahme. Dann kündigte die Richterin an, dass der Beschluss zum Akteneinsichtsantrag der Verteidigung außerhalb der Hauptverhandlung komme und sagte, sie wolle ansonsten insgesamt nur noch Beschlüsse zu weiteren Anträgen der Verteidigung fassen, sowie die Aussage von Beecken hören und den Prozess dann langsam beenden.

Am 11. Prozesstag am 25.04. erzählte Zeugin Beeken, dass sie aufgrund eines „Laufzettels“ den Strafantrag gestellt habe. Info zu den Laufzetteln: Ein Laufzettel entsteht, indem ein Bulle von der Straße eine*n Entscheider*in anruft, diese*r den Laufzettel startet, der dann an einen Koordinierenden weitergegeben wird, der ihn an eine containerverantwortliche Person weitergibt, welche den Laufzettel an sogenannte Ermittler*innen – hier Beeken und ihren Kollegen Kickbusch gibt. Beeken hatte Marx an den Computer gesetzt, aber sie weiß nicht, wann sie von Kossnik als zweitem Belastungszeugen erfahren hat und wann sie den Strafantrag formuliert hat (vor oder nach Marxs Aussage). Sie fand es nicht nötig, Kossnik zu dem Zeitpunkt wieder in den Dienst zu holen. Insgesamt saßen im Container an 2 bis 4 Tischen mit PCs Cops. Während Marx dort saß, saßen noch an mindestens 2 Tischen andere vorm PC. Kickbusch hat Peike in einfachem Englisch rechtlich Gehör gegeben. Und Beecken amüsierte sich über das schlechte Schulenglisch ihres Kollegen, da sie selbst ein halbes Jahr in Australien war. Im Strafantrag und in der Aussage Marxs stehen leicht unterschiedliche Uhrzeiten, sowie unterschiedliche Aussagen über die Anzahl der geworfenen Flaschen. Marx hatte in seinem Bericht von zwei Flaschen geschrieben. Beecken sagte, sie habe „eine Flasche“ nicht als Einzahl oder Mehrzahl gemeint und keine numerische Wertung hineingelegt.

Der 12. Prozesstag am 26.04. war erneut deutlich kürzer als geplant. Die Richterin kündigte an, sich um den „Laufzettel“ zu kümmern und lehnte den Antrag auf Beiziehung der Dienstpläne ab, ohne dass die Schöffen die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft kannten. Begründung: Selbst wenn sich daraus ein Widerspruch zu Kossniks Angaben ergeben sollte, zweifelt das seine Glaubwürdigkeit nicht an. Da die Richterin nur gemeinsam mit den Schöffen Beschlüsse fassen darf, kündigte die Verteidigung eine Gegenvorstellung an, da der Beschluss fast wörtlich der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft entsprach. Nach Prozessende durfte Peikes Mutter kurz hinter die Trennscheibe und ihn einmal kurz in den Arm nehmen, da sie Geburtstag hatte.

Am 13. Prozesstag am 09.05. tauchten letztendlich zwei verschiedene Zettel auf, auf denen „Laufzettel“ steht. Beeken erkannte einen der beiden als den Zettel, aufgrund dessen sie den Strafantrag gestellt haben will. Daraus ergeben sich zum einen Widersprüche, da auf dem Laufzettel Infos stehen, die nicht im Strafantrag stehen und andersherum. Beeken hatte aber ja behauptet, den Strafantrag aufgrund des Laufzettels geschrieben zu haben. Woher sie Infos hatte, die nicht aus dem Laufzettel stammen, konnte sie nicht konkreter beantworten, als dass sie „von Kollegen“ stammten. Zum andern tauchen durch den Laufzettel weitere potenzielle Zeugen auf, u.a. ein Beamter Heinze der den „Entscheider“ angerufen hat. Die Richterin beendete den Termin dennoch erneut damit, dass sie sich dem Ende der Beweisaufnahme nähern würden.

Der 14. Prozesstag am 11.05. war erneut kurz. Das Gericht hatte selber kein Programm, so stellte die Verteidigung vier umfangreiche Beweisanträge und hielt eine Gegenvorstellung:
1. Ein Antrag, die Beamten Dose, Witte und Klaffert zu laden, zu ihren Videoauswertungen;
2. den Beamten Massner zu laden, der Witte den Auftrag gegeben hatte und dessen Aussage belegen wird, das der Kammerbeschluss (zur Ablehnung der Videobeiziehung) nicht zutrifft. Denn der Auftrag lautete nicht, nach einer Tat zum fraglich Zeitpunkt zu suchen;
3. den Berliner Beamten Kryschlak zu laden, der mit Marx und Kossnik unterwegs war;
4. die Mail der Staatsanwaltschaft mit konkreten Schreibanweisungen an Kossnik und Marx, die Massner verschickt hatte, zur Akte zu nehmen und zu verlesen, sowie eine Gegenvorstellung gegen den Beschluss der Kammer, die Dienstpläne nicht beiziehen zu wollen.
Der Beschluss des Gerichts ging nicht auf alle Punkte des Antrags ein und war im Wesentlichen wortgleich mit der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft, die die Schöffen noch nicht einmal kannten. Das Gericht beschloss, Kryschlak hören zu wollen und realisierte, dass wohl weitere Termine nötig sind.

Der 15. Prozesstag am 14.05. war extrem kurz. Es wurden weitere Termine vereinbart und die Richterin berichtete, das Kryschlak noch bis 22.05. im Urlaub sei. Dann stellte die Verteidigung einen weiteren Antrag: Den Beamten Heinze (aus Berlin) zu laden, der den Entscheider Heidenreich angerufen und diesem den „Tathergang“ geschildert hatte. Dann kam das Gericht dem Antrag der Verteidigung nach, die Mail zu verlesen und zur Akte zu nehmen.

Der Folgetermin am 17.05. ist wegen Krankheit der Richterin ausgefallen.

Der 24.05. war der vorerst letzte „richtige“ Termin, da dann bis 11. Juli ausschließlich Sprungtermine stattfinden. Kryschlak aus der 22. Hundertschaft aus Berlin war da, zu der auch Marx und Kossnik gehören. Viel konnte er nicht berichten, aber er hat mit Marx zusammen die Festnahme gemacht (Marx hatte berichtet, er habe dies alleine gemacht). Er half Marx, als dieser mit der Festgenommen Person noch am Boden lag. Auf dem Weg „zu einem ruhigeren Ort“, der wenige Meter entfernt lag (Marx behauptete, sie seien ein gutes Stück gegangen in eine Seitenstrasse), habe Marx ihm erzählt Kossnik sei von einer Flasche getroffen worden. Bisher galt im Prozess, laut Marx und Kossnik, Marx als der getroffene (von zwei Flaschen). Außerdem hat er bei der Festnahme keinerlei Widerstandshandlung festgestellt. Er hatte den Eindruck, Peike sei überrascht gewesen. Patschkowski, der in Vertretung für Staatsanwalt Elsner da ist, behauptet: Wenn er den Antrag, diesen Zeugen zu hören mit dem gehörten vergleiche, sei im Antrag alles frei erfunden und völlig ins Blaue hinein behauptet worden und ohne Anhaltspunkte in der Akte. Dem entgegnete die Verteidigung mit den eben gehörten Widersprüchen und möchte eine Gegenvorstellung gegen eine Stellungnahme von Elsner halten. Zuvor las die Richterin diese Stellungnahme vor: Elsner behauptet darin, der Antrag, Heinze zu laden, beruhe auf Spekulationen und Mutmaßungen und sei ohne Anhaltspunkte in der Akte. Die Gegenvorstellung lautet:
1. Die Stellungnahme setze sich nicht mit dem Inhalt des Antrags auseinander und
2. seien keine Anhaltspunkte in der Akte, da die Staatsanwaltschaft diese nicht ordentlich geführt und ermittelt habe.
Der Antrag beruhe auf der Aussage von Beeken, die genausowenig in der Akte vorkomme, wie Heinze und der Entscheider Heidenreich.

Zumindest hat das Gericht langsam verstanden, dass eine schnelle Verurteilung nicht drin ist.