Die massive Polizeigewalt im Rahmen der Proteste rund um den G20-Gipfel in Hamburg hat einer alten Debatte neue Nahrung gegeben: der Frage der (Un)Sinnhaftigkeit von Foto- und Videomaterial von Demonstrationen und anderen politischen Aktionen. Daher nehmen wir an dieser Stelle den Diskussionsfaden auf und verdeutlichen, warum wir entsprechende Aufnahmen sowie deren Veröffentlichung für gefährlich halten.
Dass es rund um den G20-Gipfel zu massiven Ausschreitungen seitens der Staatsgewalt gekommen ist, kann nur von Leuten bestritten werden, die sich der Realität komplett verweigern. Im Internet finden sich unzählige Bilder und Videos von hemmungslos prügelnden Polizist*innen. Diese können selbst von der bürgerlichen Presse nicht übersehen oder umgedeutet werden. Das wird häufig als Argument für die Veröffentlichung entsprechender Materialien ins Feld geführt. Übersehen werden die schwerwiegenden Folgen, die Fotos und Videos in den Händen der
Ermittlungsbehörden mit sich bringen können.
Es gibt aus der Vergangenheit leider zu viele Beispiele, bei denen Leute in Strafverfahren mit Videos und Fotos aus dem Netz konfrontiert wurden. Selbst wenn das auf den Bildern Dargestellte an sich nicht kriminalisierbar ist, werden diese genutzt, um Bewegungsabläufe zu rekonstruieren, Genoss*innen zu identifizieren oder auch nur zu belegen, wer vor Ort war. Der gut gemeinte Schnappschuss kann also sehr leicht genau der nach hinten losgehende Schuss sein.
Mittlerweile ist durchgesickert, dass die Polizei eine 40-köpfige Soko gegründet hat, die u.a. das Netz nach bewegten und unbewegten Bildern durchforstet, um sie für die weitere Kriminalisierung von
Aktivist*innen zu nutzen. Videoportale und auch gut gemeinte Dokumentationsseiten werden damit zu einem schier unerschöpflichen Fundus für die Gegenseite und ihren Kriminalisierungs- und Verfolgungswahn.
Es ist darüber hinaus fraglich, ob die Bilder tatsächlich die Tragweite entfalten, die Befürworter*innen der audio-visuellen Dokumentation staatlicher Gewalt hier in Diskussionen anführen. Die Hoffnung, diese könnten zu Disziplinar- und Strafverfaheren gegen Polizist*innen führen, ist illusorisch. Erstens kommt es wegen Gewaltdelikten im Amt bekanntermaßen nur äußerst selten zu Verurteilungen. Zweitens stellt sich selbst in den seltenen Fällen, in denen eine Verurteilung erfolgt, die Frage, ob das die mit den Bildern verbundenen Nachteile politisch wert ist.
Auch die Möglichkeit, den politischen Diskurs damit zu beeinflussen, halten wir für äußerst begrenzt. Den vermeintlichen Argumenten für Aufnahmen und deren Veröffentlichung stehen somit deutlich größere Gefahren für all diejenigen gegenüber, die sich im Rahmen von den Protesten bewegt haben. Damit ist für uns klar, dass wir Bild- und Videomaterial nach wie vor für schädlich und gefährlich halten.
Aus unserer Sicht ist es für die Dokumentation vollkommen ausreichend, wenn von den Aktiven Einzelne mit Kameras unterwegs sind, die sich entsprechend geschult und organisiert haben. Bei der Veröffentlichung sollte dem Schutz der Abgebildeten Priorität beigemessen werden, beispielsweise durch angemessenes Verpixeln. Auch wenn hier immer noch die Gefahr besteht, dass die Kamera beschlagnahmt wird und dass aus den Bildern doch etwas herausgelesen werden kann, ist das Risiko hierdurch deutlich minimiert und der Dokumentation ausreichend Genüge getan. Selbst bei größter Vorsicht sollte den Veröffentlichenden jedoch bewusst sein, dass es für juristisch Nicht-Versierte nicht möglich ist, eventuelle juristische Konsequenzen für die Abgebildeten abzuschätzen.
Gegen die massive und immer weiter um sich greifende Filmerei der Polizei können wir nur schwer etwas ausrichten. Geben wir ihnen zumindest nicht auch noch Bilder unserer Seite frei Haus!
Statement von Rote Hilfe