Dieser 13. NoG20-Prozess endete nach zwei Verhandlungstagen trotz Einlassung mit Geständnis mit einem Urteil von 1 Jahr und 6 Monaten ohne Bewährung.
1. Tag
Die Anklage in diesem 13. No G20-Prozess lautet gefährliche Körperverletzung mit einem gefährlichen Werkzeug, sowie Widerstand/Tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung und Bedrohung. Der Angeklagte soll am 4.7. während der TechNoG20 Demo am Alma-Wartenberg-Platz in Altona mehrere Flaschen auf die Polizei geworfen haben und dabei eine Zivilperson mit einer Bierflasche am Kopf getroffen haben. Er soll weiterhin„Scheiss Bullen“ und noch weitere Schimpfwörter und Bedrohungen in Richtung Polizei geäußert haben. Die Staatsanwaltschaft sieht im letzten Vorwurf den Tatbestand der Bedrohung nach § 241 StGB für gegeben.
Die Verteidigung zweifelt an, dass hierbei der Tatbestand der Bedrohung erfüllt sei. Die situationsbedingte Bedrohung sei subjektiv wahrgenommen worden. Die Festnahmesituation, in deren Zusammenhang die Beschimpfungen geäußert worden seien, stelle objektiv keine Bedrohung für die Polizei dar. Der Staatsanwalt regierte leicht säuerlich, dass dies nicht Schwerpunkt der Anklage sei und er deswegen nicht weiter darauf eingehen wolle. Vier zivile Zeugen, unter ihnen auch die verletzte Person und ein Polizeibeamter, sagen gegen den Angeklagten aus.
Die 1. Zeugin, ist die Betroffene, die den Flaschenwurf abbekam. Insgesamt kann sie nicht viel zum Tathergang sagen. Sie sei kurz zuvor in Begleitung einer Freundin am Alma-Wartenberg-Platz angekommen und wollte in einem Café Getränke holen. Dann erinnert sie sich nur noch an einen heftigen Schlag auf den Kopf. Sie habe erst nicht realisieren können, was passiert sei. Erst als eine Polizistin sie bei Seite zog, Erste Hilfe leistete und einen Rettungswagen rief, erfährt sie, dass sie eine Flasche abbekommen hatte.
Zwischen den Nachfragen wird die Richterin darauf aufmerksam, dass jene Freundin bei den Zuhörenden sitzt. Da sie als Zeugin in Betracht kommen könne, wird sie aus dem Raum geschickt. Es scheint kleinere Widersprüche bezüglich der Angaben von Größe der Platzwunde, sowie Dauer der Arbeitsunfähigkeit der Betroffenen, zu geben. Zu Nachfragen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung bezüglich Anzahl der Beamt*innen, ob diese Schutzausrüstung trugen, zur räumlichen Distanz zwischen ihr und den Beamt*innen vor Ort, kann sie nur vage Angaben machen.
Es folgt die Aussage des 2. zivilen Zeugen. Dieser schildert emotional, wie er die dortige Situation wahrnahm. Der Beschuldigte habe sich zuvor zu ihm und seiner Gruppe dazugestellt, kurz mit einem weiteren Zeugen geredet und dann die Flasche geworfen. Immer wieder betont der Zeuge, dass er erst zu diesem Zeitpunkt auf den Angeklagten aufmerksam wurde. Gleichzeitig sei er sich sicher, dass dieser die Frau nicht habe treffen wollen, schließlich habe er dabei :„Scheiss Bullen“ gerufen. Die Frage der Richterin, ob diese Schutzausrüstung trugen, kann er nicht genau beantworten. Es folgen weitere Fragen der Richterin bezüglich seines Alkoholkonsums an dem Abend, nach den Lichtverhältnissen und nach seiner Position auf dem Platz, von der, er den Wurf beobachtete. Bei näherer Befragung sagt er aus, er habe so gestanden, dass der Mannschaftswagen rechts hinter ihm gewesen war und der vermeintliche Werfer links von ihm gestanden habe. So habe dieser in einem Bogen, Richtung Beamt*innen geworfen und er hat einen lauten Aufprall gehört, als diese auf dem Kopf der ersten Zeugin landete und dann auf der Erde zerschellte. Weiter beschreibt er, wie „ruckzuck“ ein Beamter vor Ort war, um den Angeklagten festzunehmen. Die Richterin stellt Nachfragen bezüglich des Aussehens der Person, die geworfen habe und ob diese einen Hund oder eine Hundeleine bei sich hatte. Auf Letzteres kann der Zeuge nicht antworten. Bezüglich der Kleidung meint er, dass die Person schwarze, eher ungepflegte, „abgewetzte“ Kleidung trug. Im Laufe der Befragung zeigen sich inhaltliche Unklarheiten zwischen dem Polizeiprotokoll und der Befragung vor Gericht. In dem Protokoll steht, dass die Zeugin angeblich „blutend zu Boden sank“. Der Zeuge selber meint erst, dass habe er „nie so gesagt“. Dann korrigiert er sich selbst und meint, dass es sich um den Zeitpunkt handeln könnte, wo eine Beamtin bereits Ersthilfe leistete und gemeinsam mit der verletzten Frau auf der Straße saß. Zudem sagt er aus, er sei sich 100%ig sicher, dass der Werfer und die festgenommene Person identisch seien. Er berichtet, dass der Angeklagte in der Festnahmesituation in seine Richtung gestikulierte, um ihm zu deuten, dass er es nicht gewesen sei. Darüber hinaus sei der Angeklagte gegenüber der Polizei wohl „ein wenig frech geworden“. Er fügte hinzu, dass er in der Situation selbst nicht darauf geachtet hatte, ob der Angeklagte noch weitere Gegenstände bei sich hatte, da er sich mit dem dritten Zeugen unterhalten hätte. Er erinnere sich nur, dass der Beschuldigte sagte, er sei aus Österreich sei und habe dann sofort die Flasche Richtung Beamt*innen geworfen hätte. Verwundert merkt der Zeuge an, dass die Beamt*innen auf dem Revier ihn auch bereits nach dem Hund und der Hundeleine gefragt hatten, aber ohne einen Grund zu nennen. Bei der dortigen Befragung waren ca 3-4 Beamt*innen anwesend – einer von der KriPo, einer vom Staatsschutz, ein Bundespolizeibeamter, sowie eine Protokollantin, eine Frau Fritsche. Meistens hätten nur zwei Beamte mit ihm geredet, eine Frau und ein Mann. Diese hätten weder Sachverhalt oder Erkenntnisse mit ihm geteilt, sondern hauptsächlich nach den weiteren Zeugen gefragt.
Es folgt die Zeugenaussage einer weiteren Person, die Teil der Gruppe an dem Abend war. Er schildert den Vorfall ähnlich, ist sich aber seiner Sache nicht so sicher wie der Zeuge vor ihm. Seine Aussage vom Revier stimmt teilweise nicht dem Aussagen von vor Gericht überein. So steht im dortigen Protokoll, die werfende Person habe blonde Haare gehabt, was er vor Gericht vehement bestreitet und darauf besteht „bunte Haare“ gesagt zu haben. Der Zeuge meint aber auch, den Angeklagten als die Person vom Alma-Wartenberg-Platz wiederzuerkennen. Außerdem erinnere er sich, dass der Angeklagte erst auch nicht alleine gewesen sei, sondern mit 2-3 weiteren Personen zusammen, die sich aber relativ schnell entfernten, als dieser sich zu der Gruppe stellte. Er habe wohl gesehen, wie er eine braune Holsten-Flasche in Richtung Polizei geworfen hatte, aber den Aufprall selber nicht. Der Beschuldigte machte auf ihn in der Situation am Platz einen „normalen“ Eindruck. Bei der Nachfrage der Richterin, gibt er an, dass die Beamt*innen unbehelmt gewesen seien, glaubt aber, dass sie Schutzschilder bei sich hatten. Er habe seine Aussage bei der Polizei nicht mehr richtig durchgelesen, bevor er sie unterschrieben hatte. Als die Verteidigung nach seiner genauen Position vor Ort fragt, kann er auch nur ungenau darauf antworten. Er erinnert sich vor dem Café mit dem Rücken zum beworfenen Mannschaftswagen gestanden zu haben und meint diesen daher nicht gesehen zu haben. Andere Gegenstände außer der Flasche seien laut ihm an diesem Abend nicht geflogen. Im Vernehmungsprotokoll steht, dass er die Flasche links über seiner Schulter hat fliegen sehen, abermals kann er das vor Gericht aber nicht bestätigen. Seine Vorladung aufs Revier sei telefonisch erfolgt, er sei von 2 Beamten befragt worden, aber auch nicht in weiter in den Sachverhalt eingeweiht worden.
Auch der letzte zivile Zeuge kann auf viele, ähnliche Fragen der Richterin auch eher nur vage antworten. Er will jedoch erinnern, dass der vermeintliche Werfer ein Bundeswehrkäppi aufhatte und Springerstiefel trug, „so wie die jetzt.“ Außerdem habe dieser bunte Haare gehabt, so wie der Angeklagte. Er bestätigt auch, dass derjenige eine Holsten-Flasche in der Hand hatte, die er vermutlich vom Boden aufhob und dann in Richtung Polizei warf. Es sei eine Holsten-Flasche gewesen, denn alle hätten an dem Abend Bier getrunken. Er kann sich auch nicht erinnern, ob der vermeintliche Werfer auf ihn berauscht schien. Einzelheiten des Wurfs, bis auf den Bogen erinnere er auch nicht mehr.
Der Verteidigung fällt jedoch auf, dass er sich in dem Vernehmungsprotokoll vom Revier, an die Farbe der Flasche nicht mehr erinnerte. Der Zeuge wird ermahnt nicht nur Schlussfolgerungen zu den Einzelheiten vom Abend zu ziehen, sondern sich an seine Erinnerung zu halten. Der Zeuge sagt weiter aus, dass er nur den Wurf und die Flugbahn gesehen habe, nicht aber den Aufprall der Flasche. Sie haben in einer Art Rundkreis gestanden, sein Blick sei Richtung Mannschaftswagen gewesen, der 3. Zeuge gegenüber, während der 2. Zeuge leicht vor ihm stand. Der Angeklagte habe bei der Festnahme bestritten, der Werfer gewesen zu sein und er, der Zeuge, habe erst später erfahren, dass eine Frau getroffen und verletzt wurde, denn er konnte die gesamte Zeit über den Mannschaftswagen gut sehen, aber habe zu dem Zeitpunkt keine verletzte Person bemerkt.
Nach der Befragung des 4. zivilen Zeugen beantragt die Verteidigung eine 20minütige Pause, die Richterin wendet ein, dass der Saal nur bis 13 Uhr gebucht sei. Es wird sich geeinigt nach der Anhörung des Polizeizeugen, die Verhandlung für den Tag zu schließen. Die Verteidigung will eine Erklärung zum nächsten Mal vorbereiten, es wird ein Fortsetzungstermin verhandelt.
Der Polizeizeuge, Oliver Spitz, arbeitet für gewöhnlich im Geschäftszimmer der 23. Hundertschaft der BFE als Mitglied des Beweismittelsicherungstrupp und wertet Foto- und Videomaterial aus. Er sagt aus, dass der Angeklagte bereits vor dem Flaschenwurf, kleinere Schnapsflaschen Richtung Mannschaftswagen warf und dabei auch einen weißen Golf traf, der vorbeifuhr. Bei der Durchsuchung später, wurden Flaschen gleichen Fabrikats bei ihm gefunden. Der Angeklagte bestritt bei der Festnahme jedoch, der vermeintliche Werfer zu sein, da er nur Dosen dabei hatte. In seinem Portemonnaie befanden sich jedoch zusätzlich „polizeifeindliche“ Aufkleber. Laut Polizeizeugen, sei der Angeklagte bereits bekannt auf dem Platz gewesen, weil er bereits den dortigen Beamt*innen gedroht hätte, den Hund auf sie zu hetzen. Während des Vorfalls sei der Hund jedoch nicht bei ihm, sondern irgendwo im Umfeld unterwegs gewesen. Spitz persönlich sei jedoch erst bei der Festnahme richtig auf den Hund aufmerksam geworden, als der Angeklagte meinte, er würde niemals mit Glasflaschen werfen, da er Angst hätte, dass der Hund wegkäme. Er habe den Hund gesehen, und auch wie eine Bekannte ihn mitnahm und dass dies dem Angeklagten gar nicht gefallen habe. Die Beamt*innen vor Ort seien nicht behelmt gewesen und hätten keine Schutzkleidung getragen. Spitz meint auch den Flaschenwurf direkt gesehen zu haben, er habe aber kurz vor dem Aufprall nach links gesehen und danach Richtung der Flugbahn gesehen, dass „eine Person mit Locken zu Boden ging“, denn der „Kopf sei auf einmal weg gewesen“. Daraus schlussfolgert er, dass der Angeklagte direkt vor ihm geworfen habe. So habe er 1-2 Schritte auf den Angeklagten zu gemacht, ihn am Kragen gepackt und festgenommen. Die Richterin merkt etwas irritiert an, dass in seinem Bericht max. 5m angegeben seien und dass sie sich darunter eine andere Entfernung vorstelle, als 1-2 Schritte. Der Polizeibeamte redet sich heraus, „das Ganze sei mehr so eine fließende Geschichte gewesen“. Der Angeklagte habe bei der Festnahme außerdem eingeräumt Dosen geworfen zu haben, danach habe er angefangen, zu schimpfen und zu drohen, dass er alle „Bullen erschießen und in die Luft sprengen würde.“ Auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft, meint Spitz er habe dennoch von einer Strafanzeige abgesehen, da er sich nicht persönlich angegriffen gefühlt habe. Die Richterin fragt, ob der Polizeizeuge den Endruck gehabt hätte, dass der Beschuldigte zu dem Zeitpunkt betrunken war. Das wird verneint. Die Flasche mit der der Angeklagte angeblich geworfen habe, sei sichergestellt worden, er behauptet es sei eine 0,5 Liter Flasche gewesen, auf den Glasscherben hätte das Etikett mit der Marke „Stiftungsbräu“ gestanden. Seine Aussage steht im Widerspruch zu den anderen Zeugen, die sich an eine weitaus kleinere, braune Flasche erinnerten.
Die Verteidigung fragt nach seiner Vorbereitung auf seine Aussage vor Gericht. Der Polizeizeuge bekundet er habe sich geärgert, da er schon auf dem Weg in den Urlaub gewesen sei und auch deswegen die Anzeige, nicht noch einmal durchgelesen habe. Allerdings habe er sich zuvor mit seiner Kollegin unterhalten, die ein direktes Mitglied der 23. Hundertschaft und die Person sei, am 4.7. Erste Hilfe geleistet hatte. Die Verteidigung fragt nach, ob diese etwas zum Wurf erwähnt habe. Sie hätten gemeinsam die Situation Revue passieren lassen, aber seien nicht sonderlich auf etwas Bestimmtes eingegangen. Die Situation auf dem Platz sei ruhig gewesen, daher wäre es nicht notwendig gewesen, zu filmen. Er und die Kollegin hätten etwas abseits vor der Front des Mannschaftswagens gestanden, der parallel zur Fahrbahn parkte. Er sei auch erst beim zweiten Wurf aufmerksam geworden und habe sich dann in Bewegung gesetzt, um die Quelle des Wurfs zu finden. Auf Nachfrage der Verteidigung, ob er bereits gesehen hätte, wer geworfen habe, gibt er etwas widerwillig zu, dass er die ersten Würfe nicht hätte zuordnen können. Es „klirrte 2-3 Mal “, es gab 2-3-Treffer vermutlich auf dem Dach des Mannschaftswagens und des weißen Golfs. Auf die Frage, ob er die grünen Flaschen direkt gesehen habe, reagiert der Polizeizeuge pampig. Dann sei alles sehr schnell gegangen, er habe etwa unter 1 min gebraucht, bis er beim Angeklagten ankam und diesen festnehmen konnte. Die Verteidigung fragt, ob er während der Aktion noch andere Würfe bemerkt hätte. Darauf gibt der Zeuge an, dass er dieses nicht mehr wüsste, es aber auch nicht ausschließen würde. Die Verteidigung vergleicht seinen Bericht aus dem Merkbuch mit seiner Aussage vor Gericht. In dem ersten ist von einer Beobachtung des Treffers nicht die Rede. Auch im 2. Bericht wird der Einschlag nicht erwähnt, die Verteidigung hakt nach, wie es dazu käme. Der Polizeizeuge murmelt etwas von einer Standortverlegung, sie seien in Eile gewesen und gibt zu, dass er hätte konkreter werden können. Er sagt wörtlich vor Gericht: „Ich bin mir sicher, wie die Flasche auf den Kopf getroffen hat.“ Wiederholt fasst er zusammen, wie er den Angeklagten im Wurf gesehen habe, jedoch nicht die Flugbahn und den Treffer, sondern nur die „Dame auf der Straße“, die „auf einmal weg war“.
Bei Nachfrage nach dem genaueren Ablauf der Sicherstellung von den Flaschen, zeigt sich dass der Ablauf nicht mehr rekonstruierbar ist, da zwischendurch die Festnahme und Personalienfeststellung von dem Angeklagten erfolgte. Spitz gibt an, diesen irgendwann einem Kollegen überlassen zu haben, da „irgendwann die Stimmung kippte“.
Die Verteidigung fragt nach der üblichen Prozedur einer solchen Festnahme. Laut Polizeizeuge Spitz war diese aufgrund des Gipfels besonders, es gab Koordinationsprobleme mit ortsfremden Kräften, um die er sich hauptsächlich kümmern musste. Der Angeklagte wurde nach dem Festhalten im Hauseingang zunächst in ein anderes Auto verfrachtet, da währenddessen bereits einige „schwarz Angezogenen“ auf die Situation aufmerksam wurden und Spitz eine Gefangenenbefreiung vermeiden wollte. Zur Wurfsituation wiederholte er abermals, dass keine 5 m zwischen ihm und der vermeintlich werfenden Person waren. Der Platz sei gut gefüllt gewesen, er habe die Person auch nicht gleich gesehen, sondern sei in die Richtung gegangen, von wo er den Ursprung der Würfe vermutete. Der Angeklagte „hüpfte dort herum“ und „hatte sich gefreut“. Zur Situation fragt die Verteidigung nach, ob er sich unmittelbar nach der Festnahme mit Kolleg*innen ausgetauscht habe. Spitz schließt dieses nicht aus. Die Verteidigung kommt dann auf Ungereimtheiten in seinem Bericht zu sprechen. Zunächst fragt sie nach, warum er noch einen zweiten Bericht anfertigte. Spitz sagt aus, dass ihn die KriPo kontaktiert habe und dabei nach vorherigen Auffälligkeiten bei dem Beschuldigten nachfragten, u.a. fragten sie nach dem Hund. Die Verteidigung fragt, woher sie von dem Hund wüssten, wenn es in seinem Ursprungsbericht nicht vorkommen würde. Im weiteren stellt sich heraus, dass Spitz seinen ersten Bericht beim 1. Stopp des Gefangenenabtransports nicht in sein eigenes Merkbuch schrieb, sondern in das eines Kollegen, dem Polizeibeamten König. Man sei eh nur „knapp besetzt gewesen, daher musste improvisiert werden.“ Nach dem 2. Stopp wurde der Angeklagte dann einem gewöhnlichen Gefangenentransport übergeben und in die GeSa verbracht. Weitere Unstimmigkeiten tauchen im Vergleich des Berichts aus dem Merkbuch und des 2. Berichts auf. Dort finden die Bedrohungen und Beleidigungen vor Ort keinerlei Erwähnung. Der Polizeizeuge meint daraufhin, er hätte seinem Kollegen bei der Übergabe die Notizen vorgelesen, der die Anzeige dann geschrieben habe. Auf Nachfrage verneint er mit Zeugen direkt gesprochen zu haben, er sei in Hörweite gewesen und habe daher hauptsächlich zugehört. Die Verteidigung fragt weiter, wie denn der Name des Zeugen in seinem Bericht auftauchen könne, wenn dieser im ersten Bericht nicht bekannt gewesen sei. Spitz verweist etwas widerwillig darauf, dass er einen Anruf von einem unbekannten Herrn erhalten habe, der meinte, dass er den Bericht nochmal neu schreiben müsse und darin „konkreter werden“ solle. Daraufhin habe er im „Stapel geguckt“, wo unter anderem die anderen Zeugenberichte während des G20 lagen und mit den Unterlagen seinen Bericht konkretisiert. Die Staatsanwaltschaft, die bis dahin eher wenig gefragt hatte, hakt nach, ob er die Verfügung seiner Zeugenvorladung gesehen habe. Der Polizeizeuge verneint dies und wiederholt, dass es den Anruf von der KriPo gegeben hätte, wo er dazu aufgefordert wurde in seinem Bericht konkreter zu werden und dass ihn die Staatsanwaltschaft befragen wollen würde. Die Verteidigung fragt zudem, ob er bei der Akteneinsicht „vom Stapel“ auch etwas über den Ermittlungsstand erfahren habe. Spitz antwortet etwas unwillig, dass er schon wisse, „was ich sonst in eine Anzeige reinschreibe.“ Auf Nachfrage, ob jemand diesen Bericht noch gesehen habe, meint er, dass er nicht der Meinung sei, dass dies passiert sei.
Die Verteidigung stellt zum Ende des Verhandlungstages zwei Anträge: Der erste Antrag beinhaltet die Vorladung und Vernehmung des Polizeibeamten König vom LKA 7 wegen der Flaschenwürfe. Hierbei soll ausgeschlossen werden, dass nur eine Person geworfen habe. Denn die verletzte Zeugin habe sich im Abstand vom 4-5 m von den Beamt*innen aufgehalten. Es waren keine Beamt*innen im Trefferbereich vor Ort gewesen, der Angeklagte kann somit nicht beiden Taten – kleine grünen Flaschenwürfe und den Wurf mit der Bierflasche gleichzeitig begangen haben.
Der zweite Antrag beinhaltet die Zeugenvorladung der Polizeibeamt*innen Koss und Malten vom LKA 68. Diese sollen bezeugen, dass der Angeklagte bei Eintreffen in der GeSa unter derartigen Betäubungsmitteleinfluss gestanden habe, dass eine Vernehmung nicht möglich gewesen sei. Womit eine Strafmilderung nach § 21 StGB vorläge. Weiterhin die Vorladung der Polizeibeamtin Gina Andrea vom LKA 13 als Zeugin, die während des Gipfels als Rechtsanwaltsvermittlung in der Gefangenensammelstelle Neuland tätig war und dafür zuständig war die Kontaktaufnahme zwischen Anwält*innen und potentiellen Mandant*innen zu gewährleisten. Diese solle bezeugen, dass der Angeklagte erst einen Rechtsbeistand anforderte, dann aber bei Eintreffen dessen, die Kontaktaufnahme verweigerte, da er es vorzog seinen Rausch auszuschlafen.
Der Angeklagte sei somit gemindert schuldfähig, da er unter Einfluss von Alkohol und anderen Drogen gestanden habe, seine Tat somit im Affekt geschahen und nach § 224 StGB eine Abweichung darstellte. Sie plädiere daher auf ein Strafmaß von 3 – 6 Monaten auf Bewährung. Die Verteidigung zieht hierfür zum Vergleich den Fall der AFD Politikerin Thiermann heran, die im vermeintlich betrunkenen Zustand, einen Beamten mit einem Stiletto vor den Knöchel trat, sodass dieser 2 Wochen krankgeschrieben war. Diese wurde allerdings nur zu einer Geldstrafe verurteilt.
Die Staatsanwaltschaft merkt an, dass sie gegen die Befragung des Beamten König sei, da die Gleichzeitigkeit der Würfe nicht ersichtlich ist. Nach derzeitigen Stand der Beweisaufnahme käme auch keine Milderung nach § 21 StGB in Frage, da Art und Weise der Tatbegehung in sich stimmig scheinen.
2. Tag
An diesem 2. Verhandlungstag sollten weitere Polizeizeugen aussagen, wie in Beweisanträgen der Verteidigung beim letzten Mal gefordert wurde.
Der erste Beweisantrag betraf den Polizeibeamten König, in dessen Merkbuch, der Polizeibeamte Spitz die Anzeige notierte. Er wurde vorgeladen, um die Gleichzeitigkeit einzelner Würfe zu bezeugen, aber auch die Verwirrung darüber aufzuklären, wer welche Anzeige in welches Merkbuch geschrieben hatte. Als zweiter Antrag, die Aussagen der Polizeibeamten Koß und Malten, die bezeugen sollten, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt durch Konsum von Betäubungsmitteln nur eingeschränkt zurechnungsfähig war. Denn selbst lange nach seiner Festnahme in der GeSa Harburg, konnte er nicht befragt werden, da er immer noch unter Alkoholeinfluss und anderen Drogen stand. Ferner die Polizeibeamtin Andres, die als Rechtsbeistandsvermittlung in der GeSa tätig war und bezeugen sollte, dass der Angeklagte erst einen Rechtsbeistand anforderte,als dieser dann eintraf, dann lieber doch seinen Rausch ausschlafen wollte und sich weigerte mit diesem Kontakt aufzunehmen.
Der erste Antrag wurde zurückgenommen und eingestellt, da besagter Beamte König sich auf Fortbildung befand.
Vor der Zeugenbefragung jedoch wurde eine Stellungnahme der Verteidigung verlesen. In dieser räumte der Angeklagte die Flaschenwürfe ein und darüber hinaus gab er an, seit dem frühen Morgen Schnaps und Speed konsumiert zu haben. Da er früher Baseball gespielt hatte, sei er ein guter Werfer und recht zielsicher mit Würfen. Es sei keine Absicht gewesen, die Frau oder andere Menschen zu treffen, sondern ausschließlich den Mannschaftswagen, der direkt bei der Kundgebung parkte.
Der erste Beweisantrag, in dem es um die Fragestellung einer eventuellen Gleichzeitigkeit der einzelnen Würfe ging, wurde damit von der Verteidigung zurückgenommen und eingestellt.
So wurde nur der zweite Beweisantrag in die Beweisaufnahme einbezogen. In dem zweiten Beweisantrag, der die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit entkräftigen soll, sagten drei Polizeibeamt*innen aus. Diese hatten während des G20 in der GeSa Harburg in unterschiedlichen Funktionen gearbeitet.
Als erstes wurde der Kriminalbeamte Konstantin Koß hereingerufen. Er erinnerte sich auch vage an den Angeklagten, als er danach gefragt wurde. Er sagte aus, dass er als Sachbearbeiter in der GeSa tätig gewesen sei und seine Aufgabe war u.a.zu prüfen, ob Haftgründe vorgenommen werden müssten, diese nach einer möglichen Vorführung nach Polizeirecht abzuwägen mit dem Ziel einer längerfristigen Gewahrsamnahme. Der Angeklagte wollte damals nicht mit den Beamt*innen sprechen und forderte einen Rechtsbeistand. Dies wurde aufgenommen, als die Anwält*in dann eintraf, verweigerte er jedoch die Kontaktaufnahme. Die Richterin fragt nach seinem Eindruck von ihm. Der Zeuge antwortete, dass der Beschuldigte aufgebracht schien, sichtlich alkoholisiert war, Tonfall und Sprache leicht lallend und „verwaschen“ schienen. Er hätte mit dem Angeklagten jedoch nur über eine vergitterte Öffnung über der Tür kommuniziert. Vermutlich stand er auf einer Art Bett oder Pritsche, um Kontakt aufnehmen zu können. Koß wusste dies aber auch nicht mehr so genau. Der Angeklagte habe ihm erzählt, dass er in engen Räumen Angstzustände habe und raus wolle. Die Richterin fragte, ob ein Arzt verständigt wurde. Der Beamte meinte daraufhin, dass dies nicht sein Zuständigkeitsbereich gewesen sei und wusste nicht, ob dies geschehen sei, obwohl er die „Kollegen vom Gefangenenbereich“ darüber verständigt hatte, könne aber keine weiteren Namen nennen. Von dem dortigen Team habe er dann auch erfahren, dass es nicht zum Kontakt mit der Rechtsanwältin kam. Zwei Stunden später habe er ihn wiedergesehen, Fotos gemacht und dem Angeklagten die Belehrungsbögen zur Benachrichtigung vom Konsulat vorgelegt. Er hatte sich zu der Zeit wieder ein wenig beruhigt, saß auf der Liege, die Zellentür konnte offen bleiben. Die Aussprache war immer noch leicht verwaschen, weswegen er es nicht für angebracht hielt, den Angeklagten zu vernehmen und dies auch in der Akte vermerkte. Die DNA-Probe hatte er freiwillig abgegeben, indem er sich selbst fast unaufgefordert das Stäbchen in den Mund steckte. Er verweigerte sich jedoch einer Blutabnahme und wollte sie wenn, dann selbst an sich vornehmen. Dann wollte er vor der Polizei was sagen, wirkte nur noch leicht aggressiv, seine Augen waren gerötet, sein Gesamtverhalten war sprunghaft, zerstreut und unkonzentriert. Auf Nachfrage wurde ein Alkoholtest bei dem Angeklagten vom Zeugen Koß bestätigt, aber dieser wurde von ihm unbekannten Kollegen vorgenommen. Die Werte standen bereits im Bericht, als er zu ihnen geschickt wurde. Der Zeuge wiederholt, dass auch dies nicht sein Bereich gewesen sei. Die Staatsanwaltschaft fragt nach, wie der Angeklagte mit den Belehrungsbögen umgegangen sei, ob der Zeuge den Eindruck habe, dass sie gelesen und verstanden wurden. Koß antwortet, dass der Bogen relativ lange erklärt wurde, es dabei ziemlich durcheinander ging und der Angeklagte sich den Bogen längere Zeit durchgelesen habe. Er könne aber nicht beurteilen, ob er den Inhalt tatsächlich verstanden habe. Er wiederholt, dass der Angeklagte insgesamt ziemlich sprunghaft schien und eine konsularische Vertretung schließlich ablehnte. Auf die Frage, ob Angehörige benachrichtigt wurden, meint er sich zu erinnern, dass der Angeklagte beabsichtigte, einen Freund zu kontaktieren, um seinen Hund versorgt zu wissen. Später erfuhr Koß, dass das mit dem Hund dann nicht geklappt hatte, da er den Freund nicht erreichen konnte. Die Verteidigung fragt, wie oft der Zeuge mit dem Angeklagten Kontakt gehabt hatte. Dies war zwei Mal einmal gegen ca.23.30, der 2. Kontakt dann 2,5 Stunden später.
Der zweite Zeuge, Polizeibeamter Oliver Malten, hatte eine ähnliche Erinnerung an den Beschuldigten. Auch er war als ermittelnder Polizeibeamter während des G20 eingesetzt, das heißt für die Durchführung der Maßnahmen und das Angebot der Vermittlung von Rechtsbestand. Für die Verhandlung hatte er sich die Akte nochmal angeschaut, an Datum und Uhrzeit jedoch keine konkrete Erinnerung. Er habe von einem unbekannten Kollegen Bescheid bekommen, in die Zelle des Angeklagten zu gehen. Dieser war zu dem Zeitpunkt aufgebracht und hatte weinerlich geschrien. Er habe mit ihm jedoch nur über die vergitterte Öffnung kommuniziert und dabei nur das Gesicht gesehen. Die Richterin fragt nach dem Inhalt des Gesprächs. Es ging dabei darum, ob der Angeklagte Angaben zur Sache machen möchte, „erst ja, dann nein“, erst habe er einen Rechtsbestand gewollt, aus nicht bekannten Gründen dann doch nicht mehr. Alles in allem dauerte die erste Kontaktaufnahme nicht mehr als ein paar Minuten. Der Angeklagte meinte er habe Klaustrophobie, habe sich dann aber im weiteren Verlauf beruhigt. Seine Sprache sei von einem österreichischen Akzent geprägt gewesen, an eine verwaschene Sprache konnte er sich jedoch nicht mehr erinnern. Der Angeklagte habe selber angegeben, dass er konsumiert hatte, der Zeuge kann sich in der eigenen Wahrnehmung nicht daran erinnern, dass etwas auf eine Drogeneinnahme oder Alkoholkonsum hinwies und außer dass er „nicht gut gerochen habe“, sei ihm nichts weiter aufgefallen. Er bestätigte aber auch, dass sich der Angeklagte selber die Blutprobe abnehmen wollte und die Verwirrung um den Belehrungsbogen. Aber seiner Meinung nach, hätte er diesen dann auch verstanden. Auch der Verbleib vom Hund des Angeklagten war immer wieder Thema. Weiterhin wirkte er sprunghaft in seinen Entscheidungen. Erst wollte er nur vor einem Richter irgendwas sagen, dann forderte er einen Anwalt, meinte gleichzeitig aber auch, er könne sich diesen nicht leisten.
In der dritten Zeugenaussage von der Kriminalbeamtin Gina Andres wird die Sprunghaftigkeit in den Entscheidungen nochmals aufgegriffen. Besagte Zeugin hatte während des G20 die Kontakte zu Rechtsanwält*innen in der GeSa Neuland vermittelt. Sie hatte ihm Bescheid gegeben, dass seine Rechtsanwältin nun da sei. Der Angeklagte lag hinten in der Zelle auf der Bank. Er meinte daraufhin, dass er keine Lust habe, diese zu sehen. Sie habe ihm nochmals zugeredet, aber er wollte nicht. Die Richterin fragt nach dem Eindruck der Zeugin von dem Beschuldigten. Diese meint, dass er wohl geschlafen habe, für sie sei es daher nachvollziehbar, dass er nicht wollte. Auf die Frage, ob er alkoholisiert gewesen sei, kann sie sich nicht mehr genau erinnern. Sie selbst habe ihn auch nicht wecken müssen, das habe ein ihr unbekannter Kollege getan. Die Rechtsanwältin habe allerdings darauf bestanden ihren Mandanten zu sehen und sie angewiesen ihn nochmals zu fragen. Sie kann sich aber an die Trunkenheit nicht mehr erinnern, fand es jedoch ungewöhnlich, dass er plötzlich keinen rechtlichen Beistand mehr haben wollte.
Allerdings mauert diese Zeugin bei ihrer Aussage. Sie erinnere sich zwar an den Angeklagten, weiß aber vieles nicht mehr genau, weiß in ihrer Erinnerung, plötzlich auch nichts mehr von der Trunkenheit des Angeklagten. Zusätzlich hinterfragt sie den Beweisantrag in seinem Wortlaut, behauptet gar, dass sie das nie so gesagt habe und gar nicht ihre Ausdrucksweise sei.
Die Verteidigung fasst zusammen, dass der Zeuge Koß der Einzige ist, der sich genau erinnern könne. Der Akzent ihres Mandanten stand für den Zeugen Malten zu sehr im Vordergrund, als dass dieser den Zustand hätte bestätigen können. Trotzdem steht für die fest, dass eine Milderung nach §21 vorliegen müsse, denn die Sprunghaftigkeit, Stimmungsschwankungen, die verwaschene Sprache, die geröteten Augen weisen eindeutig auf Alkohol- und Speed-Konsum hin.
Nach der Aussage der letzten Zeugin verweist die Richterin darauf, dass die verletzte Person Strafantrag gestellt habe. Es folgt eine längere Bildbetrachtung und die Berichte von Notaufnahme, Hausarzt und Dermatologen werden nochmals verlesen.
Der Angeklagte hatte sehr viele Vorstrafen in Österreicht, jedoch hauptsächlich Beschaffungskriminalität und Sachbeschädigung, bedingt durch seine Drogenabhängig. Er hatte seit er 10 war in Wohngruppen gelebt und auch dort schon mit Alkohol und Mariuhuana angefangen, später kamen härtere Drogen dazu. In seinen Teenagerjahren verstrickte er sich durch den Konsum immer mehr in Beschaffungskriminalität und hat in Österreich bereits mehrere Jugendstrafen abgesessen. Eine Wende in seinem Leben kam durch seine Therapeutin und dann später durch seinen Hund. In Hamburg wollte er sich fernab von seiner Vergangenheit als Drogenabhängiger ein neues Leben aufbauen. Er ist an die Straßenarbeit Ottensen angebunden und hat Aussicht auf einen Ausbildungsplatz in den Autonomen Jugendwerkstätten als Gärtner und die Chance dann dort übernommen zu werden, sowie bereits einen Mietvertrag für einen festen Wohnsitz erhalten. Seine bisherige Finanzierung lief über seine Mutter und einige Ersparnisse.Er hat jedoch Schulden in unbekannter Höhe. Die Verteidigung weist darauf hin, dass viele der Taten begangen wurden, als ihr Mandant noch Teenager war und die ausstehende Bewährungsstrafe nach deutschen Recht noch unter Jugendstrafrecht anwendbar wäre.
Hiernach schließt die Beweisaufnahme und es folgen die Plädoyers.
Für die Staatsanwaltschaft ist es erwiesen, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfenen Taten begangen habe und dabei der Zeugin eine mindestens 3 cm lange Platzwunde zufügte. Er sehe hiermit den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung und des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte erfüllt. Eine Milderung nach §21 läge hier nicht vor, da der Richtwert erst ab 2 Promille greife. Unsachlich fährt er fort, dass das Verhalten des Angeklagten während seiner Tat für ihn zielgerichtet und durchdacht erfolgte. Dafür spräche das Herausreden in der Festnahmesituation, er mag vielleicht alkoholisiert gewesen sein, dennoch seine verwaschene Aussprache sei seinem österreichischen Akzent und seinem „schlechten Zahnbestand“ zu schulden. Auch das Geständnis kann für ihn nicht strafmildernd berücksichtigt werden, da dies reichlich spät käme, außerdem räume er etwas ein, was nicht mehr zu leugnen war. Für eine Milderung spräche zwar die 3 monatige U-Haft, die lange Trennung von seinem Hund, die alkoholisierte Enthemmung während der Tat und das junge, erwachsene Alter. Gegen ihn spräche jedoch seine straffällige Vergangenheit, obwohl die kriminelle Energie mit zunehmenden Alter abgenommen habe. Er habe jedoch aus den Warneffekten nichts gelernt, anderen weiterhin und wie in diesem Fall physische und psychische Schäden zugefügt. Seine „hohe abstrakte Gefährlichkeit“ zeigte sich auch an den Beschimpfungen und verletztenden Verhalten gegenüber den Beamt*innen. Daher fordere er eine Strafe von 1 Jahr und 10 Monaten ohne Bewährung, da er hier keine positive Sozialprognose sehen könne.
Die Verteidigung stellt in ihrem Plädoyer in Frage, ob der Tatbestand der vorsätzlichen gefährlichen Körperverletzung hier überhaupt erfüllt sei. Mit Bezug auf die Einlassung müsse davon ausgegangen werde, was der Täter sich während der Tat vorgestellt habe und nicht was der Staatsanwalt meint, was dieser sich hätte vorstellen können. Es sei hier kein bedingter Vorsatz gewesen, Menschen zu verletzen. Das Rechtssystem sei immer noch so zu verstehen, dass es heißt: „Im Zweifel für den Angeklagten.“ Durch den Alkohol-und Speedkonsum läge hier eine Selbstüberschätzung des Angeklagten vor. Dies wäre auch an der Aussage des einen zivilen Zeugen zu sehen, der sich ebenso sicher war, dass er den Mannschaftswagen bei der Entfernung von ca 15 m getroffen hätte, hätte er die Flasche geworfen. Die Beamt*innen hätten im Übrigen auch nicht direkt davor gestanden. Angesichts dessen, könne hier nicht geschlussfolgert werden, dass er eine Körperverletzung willentlich in Kauf genommen habe. Sie sähe hier auch keine Bestätigung der Anklageschrift und auch wenn das Geständnis nicht dem entspräche, was sich die Staatsanwaltschaft erhofft habe, könne ihrem Mandanten nicht die Reumütigkeit abgesprochen werden. Eine gefährliche Körperverletzung sei daher nicht nachzuweisen, sondern eine fahrlässige Körperverletzung. Weiterhin stelle sie auch in Frage, ob hier der Tatbestand des § 114 erfüllt sei. Es sei auf das Fahrzeug gezielt worden. Dies sei kein Teil des Körpers. Allenfalls läge hier versuchte Sachbeschädigung vor, wobei der Schaden nicht mal besonders groß gewesen war. Ihr Mandant sei nach § 21 vermindert schuldfähig, der Konsum von Korn und Speed seit dem Morgen sprächen für sich. Zudem die Tatsache, dass seit seiner Einlieferung insgesamt fünfeinhalb Stunden von einer Vernehmung abgesehen wurde, weiterhin seine sprunghaftes Verhalten, die von den Polizeizeugen beschriebene Weinerlichkeit. Dann stünde da noch die Frage im Raum, wer eigentlich den Alkoholtest durchführte und ob diese Werte überhaupt richtig zugeordnet wurden, da die Gesamtsituation in der GeSa doch etwas unkoordiniert wirkte.
Hinsichtlich der Strafzumessung wolle sie keinen genauen Antrag stellen, für sie gelte weiterhin die Strafmilderung nach §21, weiterhin durch die 14-wöchige U-Haft, die Haftempfindlichkeit und die trotz der Rückfälle guten Perspektiv-Möglichkeiten durch das bereits bestätigte Praktikum. Sie appelliere daher ans Gericht, dies zu werten, den Menschen eine Chance zu geben an einem Wendepunkt seines Lebens, wo er es noch schaffen kann. Weiterhin frage sie sich, ob es eine sinnvolle Maßnahme sei, zwecks Integration, Menschen im Gefängnis gesellschaftsfähig zu machen. Ihr Mandant habe gute Chancen, dass sich was ändere, wenn eine Freiheitsstrafe, dann auf Bewährung. Nach dem Plädoyer erwähnte der Angeklagte wiederholt, dass es ihm leid tue und es nicht seine Absicht gewesen sei, jemanden zu verletzten.
Leider beachtete die Richterin das Plädoyer der Verteidigung nicht besonders, sondern ging wie auch schon beim 12. Prozess mit der Staatsanwaltschaft mit. In der Urteilsbegründung sah sie wie die Staatsanwaltschaft die zwei Tatbestände, vorsätzliche gefährliche Körperverletzung und tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamt*innen, als erwiesen an. Die Veranstaltung „TechNoG20“ sei bis zu den Würfen friedlich gewesen, die Polizeibeamt*innen hatten zwar Schutzkleidung an, waren aber nicht behelmt gewesen. Der Angeklagte habe die geschädigte Zeugin aus 1-2 m getroffen, fast zeitgleich habe der Beamte Spitz ihn festnehmen können. Die Geschädigte habe noch länger psychisch und physisch an den Folgen zu tragen. Rechtlich läge hier eine gefährliche Körperverletzung vor. Sie werte diese außerdem als vorsätzlich, da der Angeklagte „billigend in Kauf genommen habe“, dass Menschen getroffen werden. Denn wer in einer Menschenmenge mit Gegenständen wirft, müsse damit rechnen, dass nicht nur das Fahrzeug getroffen werde. Dies sei mehr als ein „nur unachtsames Verhalten“. Sie sähe außerdem von einer Milderung nach § 21 ab, da er trotz seines späteren Verhaltens im Gewahrsam, noch in der Lage war, adäquat zu reagieren. Das Abrutschen der Flasche sei nicht unbedingt dem Alkohol zu schulden, des weiteren war er fähig eine Unterhaltung zu führen. Strafmildernd sei die lange U-Haft und seine Geständigkeit, dennoch sprächen dagegen die allgemeine Perspektive. Die Geschädigte habe friedlich demonstrieren wollen. Es sei traurig, wenn friedliche Demonstrierende in Mitleidenschaft durch das Verhalten „Unfriedlicher“ gezogen würden. Sie tue sich auch schwer mit einer guten Sozialprognose und sähe nicht dass hier eine Milderung nach besonderen Umständen gemäß §56.2 StBG vorläge. Der Angeklagte habe bisher zwar unter schweren Umständen gelebt, trotzdem seien diese nicht schwer genug. Es wirkt etwas zynisch und verfehlt, als sie im Anschluss zu ihm meint, er solle seine Haftzeit nutzen, um Beratungsstellen zu finden und sein Leben ordnen. Denn dies sei seine Grundentscheidung, die nur er fällen könnte und nicht andere für ihn.
Auffällig in diesem Verfahren war die Tatsache, dass die Beamt*innen, die in der GeSa tätig waren, nicht mehr wirklich wussten, wie es dort aussah. So wurde von „Betten“gesprochen, obwohl es bis auf zu wenige Pritschen, keinerlei Sitz-oder Liegemöglichkeit gab. Die schlechten Lüftungsmöglichkeiten wurden am Rande erwähnt, bei der Aussage des Zeugen Malten, als die Frage aufkam, ob der Angeklagte nach Alkohol roch und er dann meinte, dass habe er nicht riechen können, da es im Gefangenenbereich allgemein nicht so gut roch.
Zusätzlich wird sichtbar, dass die Polizei es während der Gipfeltage nicht so genau nahm mit dem Datenschutz persönlicher Daten, sodass fehlende Versatzstücke in Zeugenberichten mit den Aussagen anderer Zeug*innen aufgehübscht werden konnten. Da „improvisiert werden musste“, standen in irgendwelchen Merkbüchern Berichte, die letztendlich nicht von den Eigner*innen verfasst wurden.
Weiterhin die Tatsache dass die Richer*innen trotz mehrerer Appelle, sich nicht ganz von den Vorgaben des ersten Urteils lösen können bzw. wollen. In der Gesamtheit werden die Strafrahmen möglichst hoch gehängt, um die das Bild der gefährlichen Straftäter aufrechtzuerhalten.