Donnerstag 2. Mai
Am Vormittag wurden vier Polizeibeamt*innen als Zeug*innen gehört. Sie
wurden zum Zustandekommen der teilweise eklatant unzutreffenden Vermerke
in der Akte bezüglich der Anwohner*innenbefragungen vernommen. Neben
üblichen standardisierten Polizeizeug*innen-Aussagen wie z. B.: „Wenn ich
das so aufgeschrieben habe, wird sie das auch so gesagt haben“, stellte
sich heraus, dass sie unabhängig von ihren Vermerken keine konkreten
Erinnerungen mehr an die Befragungen haben. Es ergaben sich erhebliche
Fehlerquellen zu den Vermerken. So blieb unklar, ob die Zeug*innen
eigentlich vor der Befragung durch die Polizei belehrt wurden. Die
Lesart ist nun, dass es sich ja bloß um eine „informatorische Befragung“
und nicht um eine Vernehmung gehandelt habe. Teilweise fanden nach den
Telefonaten mit Zeug*innen und noch vor der Verschriftlichung dieser,
polizeiinterne Gespräche statt, ob die Zeug*innen auf Grund der
mitgeteilten Inhalte förmlich zu vernehmen seien oder nicht. Außerdem
ergab sich bei den Aussagen zum Teil ausdrücklich, dass die Ermittlungen
bei den Anwohner*innenbefragungen grundlegend mit einem elementaren
Makel behaftet sind: Tatsächlich war der Auftrag an die ermittelnden
Beamt*innen Zeug*innen zu finden, die über Videos und Fotos verfügen,
die für Identifizierungen(!) geeignet sind. Es ging also in allererster
Linie darum, gut verwertbares Fahndungs-Material zu finden um
„Verantwortliche“ ausfindig zu machen. Sämtliche Zeug*innenangaben zu
Beobachtungen, Ablauf etc. waren für die Ermittelnden in diesem Moment
nicht maßgeblich und wurden unhinterfragt und eben zum Teil falsch
wiedergegeben aufgeschrieben. Man wollte Hinweise nur festhalten, um
später im Laufe der Ermittlungen darauf zurückgreifen zu können. Es war
offenbar nicht vorgesehen gewesen, dass die Staatsanwaltschaft diesen
„Beifang“ dann als einen wichtigen Beleg in der Anklage nutzen würde.
Dies entspricht auch der Qualität der Berichte. Eine daran anschließende
Erklärung der Verteidigung veranlasste die Vorsitzende Richterin
sinngemäß zu der Aussage, dass man ihrem Eindruck nach „alles neu“
erfragen müsse. Continue reading →