Auf Grundlage einer erst im Mai 2017 – pünktlich zum G20 – eingeführten Regelung will die Innenbehörde durch die Ausländerbehörde politische Proteste von „Ausländer*innen“ unabhängig von nachgewiesenen Straftaten generell mit Ausweisung und Einreisesperre bestrafen. Konstantin soll, wie zuvor Evgenii, nach dem Willen der Innenbehörde ausgewiesen und mit einer 5-jährigen Einreisesperre für das Schengen-Gebiet versehen werden.
Die Behörde spielt hier „Gedankenpolizei“, die Absichten präventiv erkennen können will und entsprechend bestrafen kann. Der Ausweisungstext enthält auch die Drohung, dass eine Rückkehr nach Deutschland vor Ablauf der Einreisesperre mit bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe bestraft wird.
Die Ausweisungsbegründungen beginnen mit unterstellten Absichtserklärungen, die als solche noch nicht einmal in den Anklageschriften vorkommen, auf die sich die Ausländerbehörde bezieht. Evgenii und Konstantin seien eingereist „um hier an Kundgebungen und/oder Protesten gegen den ab 06.07.2017 terminierten G20-Gipfel in Hamburg teilzunehmen.“ dabei seien sie „polizeilich in Erscheinung getreten“.
Die dann folgenden (bereits fallengelassenen) Strafvorwürfe, garniert die Ausländerbehörde mit inneren Vorgängen des Angeklagten, um ihm Gewaltbereitschaft zu unterstellen: „ … entgegen der Vorstellung Ihres Mandanten wurde der Polizeibeamte hierdurch jedoch nicht ersthaft verletzt“ und „anders als geplant“ seien keine Beamten durch (vor Gericht bereits widerlegte) Flaschenwürfe verletzt worden. Entsprechend schreibt die Behörde: „Das gilt auch unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung seines Handelns. Die von ihm begangenen Taten und deren Begleitumstände im Zusammenhang mit den G20-Krawallen sind i.Ü. nach der hier vorliegenden Anklageschrift zweifelsfrei nachgewiesen“.
„Aufgrund der vorliegenden polizeilichen Erkenntnisse muss davon ausgegangen werden, dass Ihr Mandant nach Deutschland gekommen ist, um sich zur Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten zu beteiligen. Damit stellt er eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar und gefährdet erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland.“
„Ferner besteht auch unabhängig von den tatbestandlichen Vorraussetzungen der §§ 125 ff Strafgesetzbuch und deren konkretem Nachweis – ein erhebliches öffentliches Interesse dahingehend, derartige gewaltsame Ausschreitungen in Deutschland zu vermeiden. Die Fernhaltung von Ausländern, die im Rahmen derartiger Gewaltsituationen angetroffen werden, sich beteiligt haben und/oder nach den Umständen gewaltorientierten Gruppierungen zugerechnet werden müssen, bei denen somit aufgrund ihres persönlichen Verhaltens von einem erheblichen Gefahrenpotential für hohe Schutzgüter auszugehen ist, ist hierfür ein geeignetes und legitimes Mittel“
… „zudem (besteht) ein erhebliches politisches Interesse der Bundesrepublik Deutschland, dass wichtige politische Veranstaltungen gewaltfrei durchgeführt werden können und dass insbesondere eine Gefährdung hochrangiger Staatsgäste, … verhindert wird. Es geht insoweit bei der Bekämpfung von derartig politisch motivierter Gewalt nicht nur um einen bedeutsamen materiellen bzw. körperlichen Schaden von möglichen Gewaltopfern, sondern nicht zuletzt auch um die Vermeidung eines erheblichen politischen Schadens und um den Schutz gewichtiger politischer Belange der Bundesrepublik.“
„Das persönliche Verhalten Ihres Mandanten lässt auf eine gewaltorientierte, politische Gesinnung schließen, bzw. auf eine Gesinnung, die auch die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele einschließt und die Ausübung von Gewalt befürwortet. Dies birgt auch für zukünftige politische Begebenheiten und Veranstaltungen ein fortdauerndes Gefahrenpotenzial, das jedenfalls nicht nach dem G20-Gipfel einfach entfallen sein wird, sondern auch im Hinblick auf zukünftige andere vergleichbare politische Ereignisse, Veranstaltungen oder sonstige Anlässe die von einer politisch motivierten gewaltbereiten Szene aufgegriffen und politisiert werden, weiterhin gegenwärtig sein dürfte, und zwar für einen noch deutlich langfristigen Zeitraum. Im Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit ist im Fall Ihres Mandanten deshalb eine noch deutlich langfristige Fernhaltung gerechtfertigt. Die Frist ist unter spezial- und generalpräventivem Aspekt jedenfalls so zu bemessen, dass sie sowohl Täter vom Bundesgebiet fernhält, solange eine Gefahr von ihm ausgeht, wie auch andere von solchen Taten abschreckt.“
„Eine zu kurze Frist würde dem spezial- und generalpäventiven Zweck der Ausweisung nicht gerecht werden und stünde auch nicht mehr in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Ausweisungsgründe.“
Nachdem bereits mehrere Wochen vor dem Gipfel die Grenzen verstärkt überwacht wurden, worunter vor allen Dingen Menschen zu leiden hatten, denen aufgrund ihres Status die Einreise in die BRD verwehrt wird, übernimmt die Ausländerbehörde nun nach den Protesten zunehmend strafrechtliche Aufgaben. Während die Strafgerichte offiziell noch an den Nachweis einer „Schuld“ gebunden sind – was im Fall von Konstantin trotz Aktenmanipulation und Absprachen unter den Polizeizeugen nicht gelang, versuchte die Ausländerbehörde noch während des laufenden Strafverfahrens die Ausweisung umzusetzten – sogar die Staatsanwaltwaltschaft musste schriftlich intervenieren um überhaupt das Verfahren beenden zu können. Von allen Vorwürfen ist bis Redaktionsschluss lediglich ein „Widerstand“ übrig geblieben.
Die Ausländerbehörde erhält gezielt zunehmend strafende Kompetenzen, die am Strafgesetzbuch vorbei laufen. Als Grundlage von Aufenthaltsverboten soll rein präventiv eine vermutete missliebige Gesinnung ausreichen.
Die Innenbehörde ist sich sicher: „Gründe, die dieser Entscheidung – auch unter Berücksichtigung von § 60 AufenthG – entgegenstehen könnten sind nicht ersichtlich“.
Ob dies bei kommenden Protesten mit internationaler Beteiligung öfter passieren wird, ist noch offen. Dass Sachbearbeiter*innen, die täglich für Abschiebungen sorgen, dies begeistert versuchen umzusetzen, verwundert nicht.
Die Hamburger Innenbehörde versucht mit Hilfe der Ausländerbehörde auf diesem Weg das Versammlungsrecht zu untergraben. Wer keine deutschen Papiere hat und sich nicht von vorn herein abschrecken lässt, der*dem soll nach dem Willen der Innenbehörde das Grundrecht auf Versammlung entzo-
gen werden, die*der soll schlicht aus Deutschland verbannt werden. Und wer es trotz Verbannung wagen sollte, sich an Protesten zu beteiligen, soll allein dafür mit Haft belangt werden. All dies selbstverständlich rein präventiv.
Dass wir uns dieser Entwicklung entgegenstellen müssen, liegt auf der Hand. Damit sich diese Machenschaften nicht etablieren und auch in Zukunft internationale Zusammenarbeit möglich ist, müssen wir jetzt laut werden!
Einmal mehr gilt, den Ausländerbehörden mit allen Mitteln das Handwerk legen!
Weitere Infos zum Vorgehen der Ausländerbehörde findet ihr auch beim G20APuA.
Diesen und weitere Texte findet ihr in dichthalten 2.