2. Prozesserklärung von Loïc | Elbchausseeprozess 9. Juli 2020

»KEINE POLIZEI, KEINE PROBLEME«

So werde ich nun mit vier Jahren und neun Monaten Haft ohne Bewährung
bedroht – bei sofortigem erneuten Haftantritt. Drei Jahre dieser
Strafandrohung entsprechen nicht Taten, deren Autor ich gewesen sein
soll, aber zu deren Komplize ich gemacht werde.

Die meisten Leute sind keine Fans der G20. Es gab auch keine einzige
Demo für die G20 in Hamburg, außer vielleicht die der 30.000
PolizistInnen, die beschlossen hatten, jeglichen Verkehr zu verbieten,
außer für die Polizei und die Luxusfahrzeuge der GipfelteilnehmerInnen.

Als ich auf YouTube eine fünfzehnminütige Zusammenfassung der
Polizeigewalt des G20 von Hamburg veröffentlichte, sah ich bei meiner
Recherche, dass Olaf Scholz, ehemaliger Bürgermeister der Stadt, erklärt
hatte: »Diejenigen die Gewalt ausgeübt haben, sind weder die Polizisten
noch die OrganisatorInnen des Gipfels«. Doch wenn es ausreicht eine Lüge
zu bekräftigen, um sie wahrzumachen, dann sollten Sie wissen, dass ich
nie beim G20 Gipfel in Hamburg gewesen bin.

Ich denke dieses Verfahren würde viel schneller gehen, wenn die Anklage
sich auf die Taten beschränken würde, derer die Angeklagten persönlich
beschuldigt werden. Diese neuen Begrifflichkeiten der »Mit-Täterschaft«
und »Komplizenschaft«, die es ermöglichen Menschen für alles was auf
einer Versammlung passiert, verantwortlich zu machen, sind ein
Missbrauch juristischer Macht.

Eine der Forderungen der Revoltierenden von Hongkong ist die »Rücknahme
des Begriffs ›Aufständische‹ für die Bezeichnung von DemonstrantInnen,
da diese Bezeichnung eine viel größere Anzahl an Verhaftungen für
geringfügige Verstöße ermöglicht«. China war in Hamburg vertreten.
Dieser ewige Prozess fußt auf den gleichen Kriminalisierungen von
Versammlungen und der Verwendung von künstlicher Intelligenz. So kann
sich gefragt werden ob »Pekings Griff« nach Hongkong nicht auch ein paar
Finger in Richtung Hamburg gestreckt hat.

Während Versammlungen wurde nie ein Polizist für die Gewalt beschuldigt,
die ein anderer Polizist begangen hat. Im Übrigen wird ein Polizist an
sich fast nie angezeigt. Es gibt Reglementierungen zur Anwendung von
Gewalt, doch wenn sich die Polizei daran nicht hält – keine Verfahren.
Und hierbei lasse ich mich auf das Feld des reinen Legalismus herab.
Denn ob ich den Knüppel im Rahmen der Vorschriften auf den Schädel
bekomme oder ohne Einhaltung der Regeln – mein Gefühl der Revolte bleibt
dasselbe. Meine Empörung hört nicht bei der anatomischen Würdigung der
Gewalt auf.

Max Stirner schrieb:
»Des Staates Betragen ist Gewalttätigkeit, und seine Gewalt nennt er
›Recht‹, die des Einzelnen ›Verbrechen‹«. Ich denke, dass wenn
Gewaltanwendung ihren Ausdruck findet, diese in jeder Situation
hinterfragt gehört. Sie darf um keinen Preis zu einer Normalität
verkommen, zu einem unbeweglichen Recht.

*

War es in der Situation des G20 in Hamburg legitim den Gipfel mit Gewalt
zu verteidigen? Was wäre passiert, wenn es keinen einzigen Polizisten
zum Schutz des G20 Gipfels gegeben hätte?
Meine Sichtweise ist folgende.

Wäre der G20 Gipfel von Hamburg ohne Polizei abgehalten worden, hätten
sich die zum Gegenprotest angereisten Personen an den Ort des Treffens
begeben. Ohne anwesende Polizei hätte es keine Auseinandersetzungen
gegeben. Es hätte sich ein altes Demo-Sprichwort bestätigt: »Keine
Polizei, kein Problem. »Jede städtische Struktur, die den Kapitalismus
symbolisiert, wäre besetzt worden. Die Banken wären zu Orten des
Tausches und des Schenkens ohne Geld geworden. Die Entfernung von
Werbeschildern hätte freie Zeit für die Gehirne verschafft. Im Rahmen
dieses Gegengipfels hätte man sich in kleinere Versammlungen oder
Gruppen aufgeteilt. Da Menschen aus allen Kontinenten nach Hamburg
gekommen sind um zu protestieren, hätte es einen aus dem Austausch der
Meinungen und deren Diversität entspringenden überbordenden Reichtum
gegeben. Wir hätten uns gefragt, was mit den offiziellen Führungskräften
der G20 geschehen solle. Manche hätten sie ins Gefängnis werfen wollen,
doch eine Arbeitsgruppe mit dem Titel »Abschaffung aller Polizeien und
Gefängnis-Institutionen« hätte sich dem entgegengestellt. Eine Person
hätte diesen Utopisten, die eine Welt ohne Knäste und Polizei forderten,
vorgeworfen, das Chaos heraufzubeschwören. Ein Mensch hätte ihr
geantwortet: »Die meisten Menschen im Knast kommen aus den armen
Klassen, sehr wenige aus der Mittelschicht und noch weniger aus der
Klasse der Reichen. Dies zeigt auf, inwieweit das
Sich-im-Gefängnis-wiederfinden nichts mit der individuellen
Wahlfreiheit, sondern mit den materiellen Existenzbedingungen
zusammenhängt. Die Lösungen die sich vorgestellt und mit denen
experimentiert wird, sind unterschiedlich. Doch allen ist gemein, dass
sie die Idee verfolgen, die Gewalt und das Leid der Gesellschaft zu
lindern, ohne dafür auf die Intervention der Polizei angewiesen zu sein.
Diese Lösungen greifen die Ursachen an, indem sie gegen die Armut, die
Wohnungsnot, die soziale Exklusion und den Rassismus ankämpfen.«

Die erste kollektive Bewusstwerdung wäre dann gewesen, festzustellen,
dass alle zusammen gekommenen Personen aus den verschiedenen Nationen
keine Atomwaffen wollen. Und, dass aus den Herzen der verschiedenen
Völker ein gemeinsamer Wille nach Frieden herausragt.
Im Angesicht der zahlreichen Probleme, die die Zentralisierung der Macht
generieren, hätten wir mit der Notwendigkeit der Relokalisierung und
Selbstorganisation begonnen. Als dann Trump, nachdem er gewartet hätte
an der Reihe zu sein, das Wort ergriff, hätten wir gemerkt, dass wir
kaum auf die verschiedenen offiziellen Führungskräfte der G20 geachtet
haben.
Dann hätten wir auf die Schnelle einen Text mit dem Titel »Abolition
aller Führungskräfte und Tyrannen« verabschiedet. Dessen Idee wäre, dass
einE jedeR seinE eigeneR MeisterIn würde, ohne gehorchen zu müssen und
sich jeglicher Autorität zu unterwerfen. Der Text hätte mit diesem Zitat
von Anselme Bellegarrigue geschlossen: »Sie waren bis zum heutigen Tage
der Annahme das es Tyrannen gab? Tja! Sie haben sich getäuscht, es gibt
nur Sklaven: Da wo niemand gehorcht, befiehlt auch keiner.«

Und dann wäre etwas Unglaubliches passiert. Da wir ihnen keine besondere
Wichtigkeit mehr zugeschrieben hätten, hätten sich diese Staatschefs –
die niemand mehr als solche betrachtete – verwandelt. Die hätten die
Macht, die ihnen bis dahin zugeschrieben hatte, verloren.
Man hätte Trump nicht wiedererkannt. Die autoritären Züge seines
Gesichts hätten sich aufgelockert und er wäre ein Dichter geworden. An
der mexikanischen Grenze meditierend, könnte er die wenig glorreiche
Geschichte der Aneignung mexikanischen Landes durch die Vereinigten
Staaten vor sich sehen. Im eigens geschrieben Lied »Von den Mauern
meines Herzens zu den Mauern der Grenzen«, rief er zur Zerstörung der
Mauer und zur Rückgabe des Landes an Mexiko auf. Gleichermaßen hätte er
den indigenen Gemeinschaften in den USA große Gebiete rücküberlassen und
sich für die Pipeline-Projekte entschuldigt, die er selbst nach dem G20
verhindert hätte. Da er sein luxuriöses Flugzeug Musikgruppen zur
Verfügung gestellt hatte, damit sie darin Umsonstkonzerte organisieren
können, hätte er die Rückreise über den Atlantik auf einem großen
Segelschiff angetreten. Diese Reise würde durch das Gutdünken des Windes
bestimmt. Bis zu seiner Ankunft wäre seine Stimme sanft geworden.

Macron hätte seine Hütten in den Wäldern des Wendland gebaut, etwa
hundert Kilometer von Hamburg entfernt. Inspiriert von dieser Gegend,
die gegen ein Projekt der unterirdischen Atommülllagerung gekämpft hat,
hätte er entschieden, die AktivistInnen von Bure nicht länger als
Übeltäter zu sehen. Er war sein ganzes Leben inmitten der Geschäftswelt
umhergeirrt, den Lobbyvertretungen gefolgt. Von dieser Komödie ermüdet,
hätte dieser Gegengipfel der G20 ihn um die schwere Last der Macht
erleichtert. Als ehemaliger Präsident Frankreichs hätte er sich vom
Blick des Eichhorns definieren lassen. Die Räumung der ZAD von
Notre-Dame-des-Landes wäre nicht erfolgt. Die BesetzerInnen hatten,
durch ihren Kampf vor Ort, eine Feuchtzone vor der Versiegelung durch
einen Flughafen gerettet. Für Macron hätte der Begriff von Eigentum
keine Bedeutung mehr gehabt, als er erfuhr, dass der Vinci-Konzern,
welcher der Gesellschaft auf der Tasche liegt, den Preis des
nicht-gebauten Flughafens von ihm zurückforderte. Die Argumentation, die
er vorbereitet hatte, um die Räumung zu legitimieren, hätte in seinen
Augen keinen Sinn mehr gemacht. Klar, warum voranstellen, dass es sich
um Profiteure handelt, die keine Steuern zahlen? Er hätte ab sofort
begriffen, dass ein Reicher, der Steuern hinterzieht, ein tausendmal so
schlimmer Parasit ist, als diese paar hundert Menschen, die eine neue
Utopie aufbauen welche nach Selbstverwaltung strebt. Die sich
föderierenden Lebensräume der Gelbwesten hätten ihn ebenfalls tief
berührt. Kein einziger hätte seine Hände verloren. Keiner wäre
gestorben. Keiner wäre in den Knast gekommen.

Die Politik wäre nicht mehr in den Parlamenten verschlossen. Parlamente
wären im Übrigen Orte für Kunstvorführungen, von Konzerten und
Theaterstücken geworden. Wöchentlich würden dort Konferenzen mit den
Überlebenden anderer Kulturen stattfinden, die sich die unsere
auszurotten erlaubte, mit dem Vorwand den Fortschritt einzuführen. Es
gäbe dort auch Augenzeugenberichte zum nicht-zivilisatorischen Leben,
von Mikrogesellschaften die in der Lage waren wilde Wälder zu pflegen.
Es würde in der Folge beschlossen, die kapitalistische
Industriezivilisation zu verlassen, welche die Auslöschung aller
Spezies, auch der unseren, vorantrieb.
Es wäre für alle einleuchtend geworden, dass die Ausbeutung und
Beherrschung des gesamten Planeten zum Zweck der Durchsetzung unserer
zerstörerischen Wirtschaftsweise uncool war. Wir hätten festgestellt,
dass die Freiheit des Individuums von der Freiheit der anderen
Individuen abhängt. Dass eine tugendhafte Gesellschaft diejenige ist,
die auch für Millionen andere, die Möglichkeit zu existieren, lässt.
Ohne Dominanz, ohne den ganzen Raum einzunehmen, alles zu kontrollieren,
alles auszulöschen. Die Menschen hätten die Macht über ihr Leben
zurückgewonnen und begonnen vor Ort zu wirken. Macron hätte aufgehört zu
sprechen. Er würde sich verkleiden, um nicht wiedererkannt zu werden und
würde zuhören. Von einem Massenmanipulateur wäre er zu einem Betrachter
des Individuums geworden.

Präsident Xi Jinping hätte Elisée Reclus studiert: Die Entwicklung, die
Revolution und das anarchistische Ideal. Dann hätte er die riesigen
Knäste geöffnet und die Uiguren und alle zuvor unterdrückten
Minderheiten befreit. Er hätte die Gesichtserkennung aufgegeben. Es
hätte keine Repression gegen die Demonstrierenden von Hongkong gegeben.
Diese und alle anderen Städte Chinas und der Welt wären autonom und
selbstverwaltet geworden und hätten sich zu Kiezen – mit oder ohne
Werbung – in freien Vereinbarungen geformt.

Erdogan hätte wie alle anderen Staatschefs seine Macht verloren und
dabei der kurdischen Community ihre Selbstbestimmung überlassen. Es
hätte keinen Angriff auf Rojava gegeben. Und das Ideal des libertären
Kommunalismus des Schriftstellers Murray Bookchin würde weiterhin den
Geist der Region und darüber hinaus erglühen lassen.

Russland hätte keine AnarchistInnnen gefoltert.
Deutschland hätte aufgehört Waffen zu verkaufen.
Saudi-Arabien hätte aufgehört Jemen zu bombardieren.
England, die USA, Russland, China und Frankreich, welche die fünf
größten Waffenhändler sind, hätten aufgehört diese zu produzieren und zu
verkaufen.

Und so viele andere wundervolle Dinge, die ich vergesse oder die nicht
vorstellbar sind, denn es muss den revolutionären Situationen den Platz
lassen Utopien zu gebären. Anerkennen, dass die Person die man Heute
ist, weniger gut ist, als diejenige die Morgen aufsteht. Und somit, den
konservativen Hochmut hinter sich lassend, Schritt für Schritt den Pfad
der Perfektion beschreiten, ohne jemals anzuhalten.

*

Die überwiegende Mehrheit der MitbürgerInnen beteiligt sich durch
Steuerzahlungen an der Entwicklung von Rüstungsfirmen, der Existenz der
Polizei und der Armee.
Kriegswaffen, Polizisten die verstümmeln, Soldaten die morden. Warum
Waffen bauen, warum welche verkaufen, für wen? Frankreich verkauft
Waffen an Saudi-Arabien und an die Emirate – Länder die sich in Jemen an
Kampfhandlungen beteiligen. Mit über 230.000 Toten wird der Konflikt
durch die UNO als die »schlimmste humanitäre Katastrophe auf der Welt
bezeichnet«. Ohne Qualen hierarchisieren zu wollen, glaube ich, dass die
Vereinten Nationen falsch liegen. Seit Jahrzehnten findet infolge von
Waffenhandel und Minenausbeutung eine schlimmere humanitäre Katastrophe
in der Demokratischen Republik Kongo statt. In den 20 vergangenen Jahren
wird der dortige Genozid auf 6 bis 10 Millionen Tote geschätzt. Laut
Amnesty International arbeiten 40.000 Kinder über 10 Stunden am Tag, um
das Mineral Kobalt abzubauen, welches von Firmen wie Microsoft, Apple
oder Samsung verbaut wird. Diese Multinationalen müssten wegen
Komplizenschaft am Genozid angeklagt werden. Es gibt weitaus mehr
Beweise als in diesem Verfahren.

Noch ein Zitat aus dem Buch Erziehung und Revolution von George Chambat:

»Das Ziel des ›Museums der Arbeit‹ ist es, allen einen Zugang zur
Geschichte und Organisierung der Arbeit zu ermöglichen, von der
Extraktion der Materialien bis zum Verkauf der fertigen Produkte,
inklusive der Produktionskosten, dem Gewinn und dem Mehrwert der aus der
Arbeitsausbeutung resultiert. Das ließe keine Zweifel zu: »diese stummen
Lektionen, wären sie nicht eloquenter als das vergebliche revolutionäre
Geschrei mit dem sich die Redner der Taverne aufreiben? (…) Wenn man
sich den Einfluss einer solch ähnlichen Lektion der Dinge verdeutlicht,
die Intensität der Unruhen, die außerordentliche Krise, die in allen
Arbeitern gleichzeitig die Überzeugung heranwachsen lassen würde, dass
das gesellschaftliche Übel überall gleich ist«.

Das Problem der großen politischen Bewegungen ist, dass es immer die
Überlegung gibt, wie denn viele Menschen zu erreichen seien, wie eine
Massenbewegung entstehen könne.
Bevor sie auf ihr Herz hören, beginnen die Personen damit, auf einem
strategischen Niveau nachzudenken. Ihr Parolen sind leer und rütteln
niemand auf. Es muss mit den Individuen geredet werden, nicht mit den
Massen. Die Masse existiert nicht, sie darf nicht existieren. Mich sorgt
es, institutionelle Umweltpolitik mit immer neuen Kompromissen
voranschreiten zu sehen. Sie schlägt Energiewenden vor, die nichts
anderes sind als grüner Kapitalismus. Interessieren wir uns für jedes
Objekt, seinen Bau und seinen Bedingungen.
Solarpanele werden durch die Ressourcen- und Human-Ausbeutung in Afrika
gewonnen. Die Zusammensetzung erfolgt unter unwürdigen Bedingungen in
China und anderen asiatischen Ländern. Zudem werden verschmutzende
Materialien verwendet und der Bau – da dies ein Geschäftsmodell ist –
ist ein Opfer überflüssiger Programme, die von unserem Wirtschaftssystem
aufgezwungen werden. Die gleiche Problematik betrifft elektrische
Batterien und industrielle Windkraftanlagen. Der Dokumentarfilm »Planet
of the humans«, auch wenn an ihm einiges zu kritisieren wäre, hilft,
dieses oft unterbelichtete Thema zu vertiefen.

Es kann keine Ökologie im Kapitalismus geben.
Der Kapitalismus ist nicht reformierbar.

Wir können jetzt entscheiden, eine Vielzahl an Utopien auf den Ruinen
eines dahinsiechenden Wirtschaftssystems aufzubauen. Wir müssen effektiv
sein und diesen wahnsinnigen Lauf mit unseren Körpern und unseren
Handlungen vereiteln.

Lasst uns einen Impact haben, da, wo die zerstörerischen Projekte sich
etablieren.
Da. wo die Konzerne die Wälder zerstören.
Da, wo Atomprojekte die kommenden Generationen für Jahrtausende in Gefahr
bringen.
Da, wo die Mächtigen dieser Welt sich treffen.
Die Radikalität unserer Aktionen muss auf Augenhöhe des Desasters sein.

Zum Schluss: Jede Person, die sich in einem geistigen Universum
zurückzieht, um sich zu trösten, sich zu vergewissern, beteiligt sich an
der Zerstörung der »Schöpfung«.
Eine Zerstörung, die von unserer industriellen kapitalistischen
Zivilisation orchestriert wird. Eine Zivilisation, wie es sie
millionenfach gab und geben kann (wie auch weitere Formen von
nicht-zivilisatorischen Gesellschaften). Wir befinden uns derzeit in der
schlimmsten von allen, da sie die Möglichkeit aller weiteren Formen
existenziell aufs Spiel setzt. Stellen wir uns für einen kurzen
Augenblick vor, es gäbe einen »Gott«, und dass dieser uns auf Erden
ausgesetzt hätte und nicht direkt ins Paradies, damit wir die Wahl
hätten, ihm zu folgen oder es nicht zu tun. Die erste aller Missionen –
egal welcher eurer Glaube sei – wäre es zu kämpfen, damit diese
Freiheit, nämlich die Schöpfung, überdauern kann.

Ich bin glücklich, denn ich konnte ausdrücken, was mir auf dem Herzen
lag, ohne mich aufgrund der Angst vor dem Urteil oder den strategischen
Ratschlägen meiner AnwältInnen einzuschränken. Ich bin stolz darauf, an
den Demonstrationen gegen die G20 teilgenommen zu haben, dem Gipfel an
dem sich die größten Waffenhändler der Welt versammelten. Noch ist
nichts verloren, jeder Moment ist zu bewahren.

Zwei Zitate um zu schließen. Eins von Henri David Thoreau:
»Insofern ist jedes Unglück ein Sprungbrett ins Glück.«

Und ein weiteres von Nelson Mandela zum Gefängnis:
»Ein Mensch, der einen anderen seiner Freiheit beraubt, ist Gefangener
des Hasses, der Vorurteile und der Beschränkung des Geistes.«

Dankeschön.

Loïc, Hamburg, 9. Juli 2020.