Hallo liebe FreundInnen und GenossInnen! Erst mal solidarische Grüße an den G20-Gefangenen Loic aus Frankreich, an die 3 von der Parkbank, an die § 129b-Gefangenen und an alle anderen politischen und sozialen Gefangenen, mit denen wir uns verbunden fühlen.
Vor mehr als 2 Jahren im Juli 2017 gab es diesen verdammten G20-Gipfel in Hamburg, das Treffen der 19 reichsten Länder der Welt und der EU, die selbst ernannte Weltregierung ohne jegliche Legitimation. Ziel der G20 war die Absprache von Strategien zur Anhäufung und Verteilung von Reichtum und Macht auf Kosten der Armen und Ausgebeuteten.
Schon jetzt haben 8 Milliardäre mehr Vermögen als 50 % der Weltbevölkerung. Der Gipfel der Herrschenden traf auf massiven Widerstand der linken Bewegung gegen die Weltherrschaft der G20-Staaten generell und gegen die Abhaltung des Gipfels in einem linken Szeneviertel als Kampfansage und Provokation im besonderen. Die staatliche Repression im Vorfeld konnte während des Gipfels immer wieder durchbrochen werden. Demoverbotszone von 38 qkm, Verbot jeglicher Camps, Observationen, Hausdurchsuchungen, ein Extra-Knast für G20-Gegner mit einem hieran angeschlossenen Sondergericht. Rund um den Gipfel gab es dann den größten Polizeieinsatz in Hamburg nach dem 2. Weltkrieg mit 31.000 Bullen, 44 Wasserwerfern, 10 Räumpanzern und 28 Hubschraubern. Dem entgegen stand die Vielfalt und Massivität des Widerstands. Massencornern, Techno-Rave „Lieber tanz ich als G20“, antikapitalistische Demo „Welcome to Hell“, Blockaden des zivilen Ungehorsams rund um die Rote Zone, aber auch militant verlaufende Aktionen wie in der Elbchaussee (und übrigens auch in Othmarschen und Eimsbüttel), Massenmilitanz und Straßenkampf im Schanzenviertel mit einem für 4 Stunden polizeifreien Gebiet sowie die spektrenübergreifende Großdemonstration mit 80.000 Menschen. Insgesamt waren an die 200.000 Menschen an den verschiedenen Protesten beteiligt. Das hat sie schon genervt! Und dann das noch: immer wieder verlor der hochgerüstete Repressionsapparat die Kontrolle über das Geschehen. Das staatliche Gewaltmonopol wurde massiv in Frage gestellt und war im Schanzenviertel phasenweise über mehrere Stunden aufgehoben. Barrikaden und Umverteilungsaktionen bestimmten das Bild. Polizeieinheiten wurden mehrfach in die Flucht geschlagen. „Feste feiern, wenn sie fallen“! So war der G20 für die Herrschenden eine Niederlage, die sie nicht so recht eingestehen wollen. Der Gipfel erbrachte keinerlei politische Ergebnisse, die sich in der Öffentlichkeit hätten präsentieren lassen können. Die Kosten beliefen sich auf 300 Millionen EUR. Keine vorzeigbaren Erfolge und dann auch noch staatlicher Kontrollverlust. Einsicht, Selbstkritik -natürlich nicht! Vielmehr begann unmittelbar nach dem Gipfel der staatliche Rachefeldzug. Die massive Repression des Staates nach den Aktionen während des G20-Gipfels im Juli 2017 in Hamburg hält bis heute an. Eine mehrfach mit staatstragender Hilfe der Medien als Öffentlichkeitsfahndung inszenierte Menschenjagd in ganz Europa sowie zahlreiche Festnahmen und Hausdurchsuchungen sowie immer wieder neue Verfahren, wie die angekündigten gleich mehreren Großverfahren zum Komplex Rondenbarg im Frühjahr 2020 zeigen den Verfolgungseifer des Staates, geprägt von der Devise „wir kriegen euch alle!“ Andererseits können medial verbreitete Erfolgsmeldungen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Freispruchquote in den G20-Verfahren mit 10 % weit über dem bundesweiten Durchschnitt von 2 % liegt.
Die Aktion in der Elbchaussee – ein Stachel im Gefüge der Macht! Wir verteidigen diese Aktion politisch voll und ganz! Wir wissen, dass dabei auch Fehler gelaufen sind, aber dass ist – wenn überhaupt – eine interne Diskussion. Am frühen Morgen des ersten Gipfeltages am 7.Juli 2017 machten etwa 200-300 AktivistInnen ihrer Wut über die bestehenden kapitalistischen Verhältnisse in einer militanten Spontan-Demo Luft, einige davon verdeutlichten ihre Unversöhnlichkeit mit dem System durch das Entglasen von Banken, Ämtern und Konsulaten und das Anzünden von Autos in der im Villenviertel gelegenen Elbchausee.
Seit dem 18.12.2018 läuft der Prozess gegen Loic und 4 Freunde und Genossen aus Frankfurt/Offenbach, von denen die beiden Erwachsenen nahezu 8 Monate in Haft waren, bevor die Haftbefehle aufgehoben wurden. Loic sitzt immer noch im Knast. Die 5 Angeklagten werden als vermeintliche Täter präsentiert, konkrete Taten werden ihnen nicht vorgeworfen, sie sollen in dem eine militant agierenden Protestzug am Morgen des 7,Juli 2017 vor Ort gewesen und mitgegangen sein. Auf diese Weise konstruiert die Staatsanwaltschaft eine strafrechtliche Mithaftung für alles!Bereits die bloße Anwesenheit auf einer Demo, aus der heraus strafbare Aktionen stattfinden, soll für jeden Teilnehmer strafbar sein, selbst wenn er erst später hinzugekommen ist oder sich vorzeitig entfernt haben sollte. Es ist offensichtlich, dass es hier darum gehen soll, Menschen von künftigem politischem Protest abzuhalten und eine ganze Bewegung einzuschüchtern, indem einzelne drakonisch bestraft werden. Aus juristischer Sicht ist es sicher sinnvoll und notwendig, das Konstrukt der Kollektivschuld anzugreifen. Nach unserem Verständnis von Solidarität aber ist es völlig egal, ob jemand bei einer solchen Aktion aktiv oder lediglich anwesend ist. Unsere Solidarität gilt allen an der Aktion Beteiligten und von Repression Betroffenen, egal was sie nach den Anschuldigungen der Klassenjustiz gemacht haben sollen. Solidarität ist unteilbar!
Während bei Angriffen auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte vielfach Stille, ja Gleichgültigkeit herrscht, rufen ein paar zerstörte Scheiben und Autos Empörung hervor. Noch immer gilt: „Scheiben klirren und ihr schreit, Menschen sterben und ihr schweigt!“ Dass schon am selben Abend den Geschädigten eine Zahlung von 40 Millionen EUR zugesichert wurde (im Vergleich wurde den Angehörigen der Opfer des NSU insgesamt gerade mal eine Million Entschädigung gewährt) verdeutlicht die massive Diskrepanz bei der Wahrnehmung des Wertes von Menschenleben im Vergleich zu Waren und Konsumgütern. Das Auto ist des Deutschen liebstes Kind.
Der Prozess findet seit dem 3. Prozesstag unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, dies gilt bis zu den Plädoyers und der Urteilsverkündung. Dieser „Geisterprozess“ ist ein Angriff auf die kritische Prozessbegleitung und uns als Solidaritätsbewegung insgesamt. Der Ausschluss erfolgte gegen den erklärten Willen der Angeklagten. Solidarität sei „erziehungsschädlich“, die beiden zur Tatzeit jugendlichen Angeklagten könnten unter dem Einfluss der Roten Hilfe und von United we Stand sowie der Solidaritätsbekundungen aus dem Publikum nicht frei und unbeeinflusst entscheiden, ob sie aussagen und Reue zeigen wollen. Die Angeklagten pfeifen auf die „Fürsorge des Gerichts“, sie wollen und brauchen weiterhin unsere volle Solidarität. Den Angeklagten wird die Möglichkeit genommen, sich öffentlich zu äußern. So will Loic schon seit längerer Zeit eine an die Öffentlichkeit gerichtete Prozesserklärung abgeben, natürlich nur im Beisein der Öffentlichkeit im Prozess, was das Gericht ihm verwehrt. Dann eben nicht, dann eben erst dann, wenn der Prozess am Ende – gesetzlich vorgeschrieben – ohnehin wieder öffentlich ist. Das kann noch dauern. Das Gericht hat weitere Gerichtstermine bis zum 24. April 2020 festgesetzt, für 2020 gerade mal 11 Termine in 4 Monaten. Eine Abtrennung des Verfahrens gegen Loic ist inzwischen nicht mehr geplant.
Loic wurde am 18.8.2018 aufgrund eines internationalen Haftbefehls beim Besuch seiner Eltern in Nancy/Frankreich festgenommen und am 6. Oktober 2018 nach Hamburg verschleppt, seitdem befindet er sich hier im Knast Holstenglacis, insgesamt seit nunmehr 15 Monaten. Am 26.6.2019 hat das Gericht einen Antrag auf Haftverschonung abgelehnt und entschieden, dass unser Freund und Genosse Loic weiterhin in Haft bleiben muss. Er habe mit einer mehrjährigen Haftstrafe zu rechnen und es bestehe Fluchtgefahr. Er habe keine Einlassung gemacht, die sich strafmildernd auswirken könnte. Trotz WG-Zimmer in Hamburg, Angebot einer Kautionszahlung und Meldeauflagen bestehe ein starker Fluchtanreiz, da er Teil einer internationalen Vernetzung der radikalen Linken sei. Das ist nichts anderes als Klassenjustiz und Feindstrafrecht. An einem ausländischen Genossen soll nun ein abschreckendes Exempel statuiert werden.
Loic kommt aus der französischen Protestbewegung. Er wuchs mit dem teils massiven Protest gegen unnütze Großbauprojekte und den neoliberalen Reformen der französischen Regierungen der letzten Jahre auf. Er fehlt uns auf der Straße und in den Wäldern, sei es im Widerstand gegen das geplante Atommülllager in Bure oder auf der ZAD, einem besetzten Gelände mit Ansätzen anarchistischer Gesellschaftsentwürfe. Als Dichter, Gärtner und Musiker kämpft unser Freund auch heute mit der Kraft der Künste, Gedanken und Worte für eine bessere Welt. Seine fortwährende Inhaftierung und der politische Tenor der Hamburger Justiz ist ein Angriff auf uns alle, die den Gipfel in Hamburg zum Scheitern bringen wollten. Loic ist stellvertretend für uns alle nun schon 15 Monate und weiterhin im Knast. Aber Loic ist ungebrochen, brennende Herzen lassen sich nicht wegsperren! Loic ist ein Teil von uns, gemeinsam und solidarisch werden wir so lange weiter kämpfen, bis er wieder in Freiheit ist. Free Loic! Liberte pour Loic! Freiheit für Loic!
Unsere Solidarität gegen ihre Repression!
United we Stand!