Loïc hat angekündigt, dass er uns, seine Freundinnen und Genossinnen in Hamburg, kurz vor seinem erneuten Haftantritt noch einmal besuchen will.
Dann wird es mit Loïc eine kämpferische und solidarische Veranstaltung geben.
Es soll auch der Anfang für unsere solidarische Unterstützung Loïcs während seiner erneuten Zeit im Knast werden.
Die Rote Hilfe Zeitung veröffentlichte in ihrer Ausgabe 1.2022 einen Brief von Loïc
Auszug :
Nochmal Knast? – Ein Brief von Loic
Zwei Jahre nach seiner Entlassung muss Loïc, der unter anderem wegen der Elbchaussee-Randale zu G20 verurteilt wurde, erneut für 20 Monate in den Knast. Während die Hamburger Justiz ihn in Billwerder inhaftieren möchte, schreibt er von seiner Arbeitsstelle in Frankreich und dankt für die solidarische Begleitung.
„Am 13. Dezember 2021 fand das Revisionsverfahren zur Elbchaussee seinen Abschluss. Die Revision der Staatsanwaltschaft, welche in meinem Verfahren vier Jahre und neun Monaten forderte, wurde abgelehnt. Das Gleiche passierte mit den Revisionsbestrebungen meiner AnwältInnen. (…)
Category Archives: Briefe
Soligrüße von Fabio
Gesendet: Mittwoch, 08. Juli 2020
Von: Fabio
Solidarität für Loic und die anderen angeklagten Gefährten!
Vor drei Jahren sind mehrere zehntausend Frauen und Männer aus allen Ländern Europas in Hamburg auf die Straße gegangen, um gegen den G20-Gipfel zu demonstrieren, jeder mit seinen eigenen Mitteln, seinen eigenen Demonstrationsformen und seinen eigenen Empfindungen. Allen gemeinsam war die Überzeugung, dass der Gipfel Ausdruck einer Welt voller Ungerechtigkeit und Ausbeutung war.
Viele leiden weiterhin unter den Rachegelüsten der Staatsanwaltschaft. Am 10. Juli dieses Jahres wird das Urteil in jenem Prozess gefällt, der wahrscheinlich der wichtigste der Prozesse gegen die Demonstranten ist.
Fünf Gefährten werden beschuldigt am Morgen des siebten Juli an der Demonstration auf der Elbchaussee teilgenommen zu haben. Die Staatsanwaltschaft fordert für sie Strafen bis zu vier Jahren und neun Monaten Haft.
Am kommenden Freitag riskieren unsere Brüder und Freunde zurück ins Gefängnis geschickt zu werden.
Loic – vor allem er – wurde bereits ein Jahr und vier Monate in Untersuchungshaft gehalten.
Es werden ihnen keine besonderen Straftaten vorgeworfen, vielmehr seien sie „Teil“ einer Gruppe von Personen gewesen, die Straftaten begangen hätten.
Ihre Verurteilung würde den Weg freimachen für viele weitere Verurteilungen all jener, die beschließen, an einem Protest auch nur teilzunehmen; ein gefährlicher juristischer Präzedenzfall soll geschaffen werden, der sich an alle richtet, die für einen andere, eine bessere Welt zu kämpfen bereit sind.
Lasst uns alles tun, die Gefährten nicht allein zu lassen.
Unsere Solidarität gilt Loic und den anderen Angeklagten des Elbchausseeprozesses!
Euer Fabio
Soli- Grüße und Worte von Fabio aus Italien
Hier ein paar Worte von unserem Genossen, Freund und Bruder Fabio aus
Italien, voller Liebe und Solidarität:
Freiheit ist schön. Freiheit ist schön, wie viele schöne Aspekte hat die Freiheit!
Ein Bier, ein Kuss, ein blauer Himmel ohne Gitter in der Mitte, die Strahlen der Sonne, die in diesen ersten Frühlingstagen auf unsere Haut
treffen. Kurz gesagt, Freiheit ist einfach schön.
Aber viele Freunde und viele Genossen können nicht all dies genießen. Weil sie von dieser „Justiz“ gefangen gehalten werden. Und an die müssen wir denken.
Jeder von uns kann auf seine Weise etwas tun….
Wir können Briefe verschicken, Familienmitgliedern helfen, und vor allem
können wir zu den Gerichten gehen. Continue reading
Erklärung von Fabio V. anlässlich der Sitzung am 07. November 2017 im Amtsgericht Hamburg-Altona
Frau Richterin, Frau Schöffin, Herr Schöffe, Frau Staatsanwältin, Herr Jugendgerichtshelfer,
Sie müssen heute über einen Mann urteilen. Sie haben ihn als „aggressiven Kriminellen“ und als „respektlos gegenüber der Menschenwürde“ bezeichnet. Mich persönlich kümmert es nicht, mit welchen Attributen Sie mich benennen. Ich bin nur ein Junge mit einem starken Willen.
Zunächst einmal möchte ich sagen, dass die Herrschaften Politiker, Polizeikommissare und Staatsanwälte wahrscheinlich glauben, dass sie den Dissens auf den Straßen aufhalten können, indem sie ein paar Jugendliche festnehmen und einsperren. Wahrscheinlich glauben diese Herrschaften, dass das Gefängnis ausreicht, um die rebellischen Stimmen aufzuhalten, die sich überall erheben. Wahrscheinlich glauben diese Herrschaften, dass die Repression unseren Durst nach Freiheit aufhalten wird. Unseren Willen, eine bessere Welt zu erschaffen.
Nun gut, diese Herrschaften täuschen sich. Sie liegen falsch, das beweist auch die Geschichte. Continue reading
Ein kurzer Beitrag für das transnationale Treffen von einem ehemaligen G20 Gefangenen
Ich bin vor einem Monat aus dem Gefängnis raus gekommen. Ich kann nicht wirklich zu diesem Treffen kommen. Trotzdem ist nichts vorbei, auch nicht für mich. Es sind immer noch Menschen für die G20 Revolte im Knast, etliche Ermittlungen laufen noch, viele Verfahren werden noch kommen und die Stimmung dieser Tage kann noch nicht vorbei sein. So möchte ich, als ein Individuum das seinen kleinen Teil in all diesem getan hat, ein paar Worte senden.
Ich möchte meinen Standpunkt teilen und ich verdanke immer noch allen die mich während meiner Zeit im Gefängnis unterstützt haben einiges. Egal ob wir dieselben oder verschiedene Perspektiven darauf haben was im Juli und in den darauf folgenden Monaten in Hamburg passiert ist, lasst mich sagen, dass ich jede Form der Unterstützung die ich von der ‘United We Stand’ Kampangne bekommen habe, aufrichtig schätze. Es hat mir sehr dabei geholfen meine Gedanken frisch und am leben zu halten. Also, Danke an euch! Continue reading
Brief eines G20 Gefangenen aus dem Gefängnis Billwerder 14.08.2017 (DE)
Es sind fast anderthalb Monate vergangen, seitdem ich während des zwölften G20 Treffens in Hamburg festgenommen wurde. In einer Stadt, die von den Sicherheitskräften belagert und als Geisel genommen wurde, die aber auch zu dieser Gelegenheit einen bedeutenden Protest vor Ort hervorgebracht hat.
Zehntausende, wenn nicht mehr, aus ganz Europa und sogar darüber hinaus, sind gekommen, haben sich in einer großen Welle der Solidarität getroffen, aneinander angenähert, organisiert, debattiert und für mehrere Tage zusammen demonstriert. Sie waren sich zu jeder Zeit der Möglichkeit bewusst, Gewalt und Repression der Polizei ausgesetzt zu sein. Von Algeco wurde zu diesem Anlass sogar ein riesiges Polizeigericht (*aus Containern, samt Gefangenensammelstelle) errichtet, um jeden Protest gegen diesen Gipfel so schnell, wie möglich bestrafen zu können.
Meine Verhaftung basiert, so wie die von vielen anderen Gefährt*innen ebenfalls, alleine auf das unantastbare Wort der Polizei. Von einer Einheit, die die Aufgabe hat, zu infiltrieren, observieren und ihrer „Beute“ zu folgen (über 45 Minuten in meinem Fall, aufgrund eines vermuteten Wurfgeschosses). Wenn sie einen erst einmal isoliert haben, gibt es die Möglichkeit zur Verhaftung, indem sie Kolleg*innen schicken, die schnell und gewalttätig eingreifen und keine Möglichkeit zum Entkommen lassen.
Brief von Alessandro (IT) aus dem Gefängnis Billwerder 22.07.2017 (DE)
22-07-2017 Billwerder, Hamburg
Liebe Genoss*innen,
Heute habe ich den vierten Strich zeichnen müssen (IIII). Es sind in der Tat schon 20 Tage vergangen, seitdem ich auf feige und brutale Art und Weise von einer der Hamburger Spezialeinheiten zu Boden geworfen, estgenommen und hinter Gitter gesteckt worden bin. Sobald sie mich festgenommen hatten, unterbanden sie sofort, dass die vielen solidarischen Umstehenden auf der Straße sich nähern und helfen konnten oder dass diejenigen, die das Ganze auf den Balkonen mitbekommen hatten, mit mir kommunizieren konnten. Sie begannen sofort, mich zu durchsuchen, warfen alles auf den Boden – fanden aber nichts außer einer Regenjacke von Quechua, die noch dazu nur außen an meinem Rucksack hing. Ein sehr nervöser und gleichzeitig besessener 2-Meter-Typ hat dann noch schnell eine Flasche und einen Helm von irgendwo aufgesammelt, um ein Geständnis vor der Kamera aus mir herauszuholen.
Brief an Fabio von seiner Mutter (DE/IT)
Lieber Fabio,
am Donnerstag Abend wurden deine Haftbedingungen verändert und sind jetzt noch eingeschränkter. Du kannst nur Besuche empfangen, wenn sie vom Gericht genehmigt werden, und sie werden überwacht. Alle Telefongespräche, die man dich irgendwann vielleicht führen lässt, müssen genehmigt werden und werden überwacht. Alle Briefe, die du erhältst und schreibst, werden abgefangen, übersetzt und gelesen. Alle Pakete unterliegen denselben Kontrollen.
Ich weiß, dass man dir das mitgeteilt hat, und dass du mit Verbitterung darauf reagierst. Ich verstehe dich, denn ich fühle dasselbe. Bei diesen neuen Haftbedingenen werde ich dich nicht am Sonntag besuchen können, worum du mich gebeten hast, und vielleicht kommt es sogar dazu, dass ich gar nicht mehr mit dir in Kontakt treten kann.
Diese Einschränkung der Regeln, denen du unterworfen bist, ist unrechtmäßig, denn du bist nur im Gefängnis, weil du auf einen Prozess wartest und angeblich Fluchtgefahr besteht. Aus diesem Grund darf dein Recht auf Kommunikation mit Personen außerhalb des Gefängnisses in keiner Weise beschränkt werden. Deine Anwältin wird sich überlegen, wie gegen diese absurde Entscheidung vorzugehen ist.
Ich werde dir weiter lange Briefe schreiben, dir Abschnitte aus Büchern, Liedern und Gedichten abschreiben, allles, was mir einfällt, damit du dich weniger allein fühlst in diesem Augenblick, den sie dir immer schwerer machen. Ich hab dich lieb.
(Status der Mutter von Fabio, dem jüngsten der Gefangenen nach dem G20 in Hamburg)
Brief von Riccardo aus Billwerder vom 20.7.17 (DE)
Brief des Mitstreiters Riccardo, eingesperrt in der JVA Billwerder, Hamburg
Guard Gohlosh impersonated the most hideous wickedness: the wickedness at the service of the powerful of the Earth. A wickedness that could be converted to money. It didn’t belong to him any longer. He had sold it to more competent individuals who used it to enslave and mortify an entire miserable people. He was no longer master of his own wickedness. He had to guide it and direct it according to certain rules whose atrocity hadn’t changed much.
(Albert Cossery – Men God Forgot – 1994, free translation by act for freedom now)
Momentan befinde ich mich im Knast von Billwerder, in Hamburg. Ich wurde am Freitag, den 7. Juli um 19:30 in der Nähe der Roten Flora festgenommen. Mir wird unter anderem vorgeworfen, den Staat beleidigt und die öffentliche Sicherheit gefährdet zu haben. Ausserdem wird mir vorgeworfen, aktiver Teil einer fünfzehnköpfigen Gruppe gewesen zu sein, die versucht haben soll, einen Bullen einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit angegriffen zu haben.
Ich verweigere die Dichotomie von „Schuld“ und „Unschuld“, die uns der juristische Apparat des Staates auferlegt.
Was ich sagen möchte ist, dass ich stolz und glücklich bin, während der Revolte gegen den G20 in Hamburg gewesen zu sein. Die Freude der persönlichen Erfahrung des Zusammenkommens so vieler Menschen jeden Alters und aus aller Welt, die sich noch nicht der totalen Logik des Geldes und der kapitalistischen Welt unterworfen haben, kann keine Form der Gefangenschaft bezwingen. In einer historischen Epoche, in welcher der Kapitalismus versucht, den finalen Schritt zu seiner absoluten Stabilisierung umzusetzen, in konstanter Oszillation zwischen innerem Krieg (Sondergesetze, Grenzschließungen, Abschiebungen) und äusserem Krieg (Massaker, Zerstörung und Vergiftung des Planeten Erde), zeigte die Revolte gegen den G20, was denjenigen, die immernoch etwas auf die Freiheit geben, am wichtigsten ist:
Brief von Maria vom 14.07.2017
Heute vor 2 Jahrhunderten wurde die Bastille vom Volk gestürmt. Heute errichten diejenigen, die die Erstürmung der Bastille als Gründungsdatum moderner Demokratien feiern, überall neue Festungen. Niemand sollte hier drin sein müssen. Nie wieder. Es ist zu viel für eine einzelne Person. Ob es Minderjährige sind, schwangere Frauen oder Frauen, die eigentlich in einem Krankenhaus sein müssten – alle in den gleichen grauen Anzügen… Ich weiß, dass ihr alles Mögliche versucht, um mich hier herauszuholen und ich danke euch dafür. Es tut mir leid, dass ihr euch Gedanken, Sorgen machen müsst.
Ich habe hier euer Telegramm und in Wirklichkeit hatte ich gehofft, heute herauszukommen und euch laut und herzlich zu danken! Im Gegensatz dazu bin ich weiterhin hier, der Einspruch [gegen meine Haft] wurde nicht akzeptiert. Aber in dem Moment, wenn ihr diesen Brief erhalten werdet, wisst ihr das ja bereits. Wir waren zu fünft in dieser Situation gewesen, alle Arm in Arm. Die beiden Deutschen sind Mittwoch rausgekommen, heute ist die Venezolanerin entlassen worden – aber nur auf Kaution von 10.000 €, ja zehn Tausend! Hier drin bleiben ich und eine Kurdin. Sie ist sehr stark – immer positiv, und das, obwohl zwei ihrer Brüder in Kurdistan gefallen sind. Das einzig Schöne hier sind die Beziehungen, die wir knüpfen. Alle sind so freundlich, altruistisch. Alle sind jederzeit bereit, dich zu umarmen.
Was alles andere betrifft, habe ich kaum noch Illusionen… Einmal ließen sie uns zu dritt aus den Zellen, angeblich, um mit unseren AnwältInnen reden zu können – in Wirklichkeit wollten sie nur unsere DNA. Ich muss hier an sich immer mit dem Schlimmsten rechnen, obwohl das überhaupt nicht meine Art ist. Das erste Gefängnis, in das sie uns gebracht hatten, war ein Fertigbau mit 10qm kleinen Kammern. Wir waren darin für zwei Tage zu fünft, ohne alles, kein Fenster, wir mussten um
alles bitten, auch darum, etwas zu Trinken zu bekommen und darum, aufs Klo gehen zu können – natürlich nur unter Aufsicht. Fast ohne Essen. Hier ist es jetzt ein wenig besser – ich habe zumindest ein Bett und ein Bad.
Ihr wisst ja schon, dass ich hier nur sitze, weil ich kurz
zurückblieb, um einer Verletzten zu helfen, deren Bein „zerbrochen“ war – im wahrsten Sinne, der Knochen war zu sehen, der Fuß war „nur“ zur Hälfte getroffen worden… Ich glaube, diesen Anblick werde ich nie wieder vergessen. Genauso wenig wie den der Polizei, die sie mit bloßen Händen schlug. Und ich konnte mir nicht ausmalen, hier gelandet zu sein, dafür, dass ich nichts gemacht habe. Obwohl ja alle hier drin wegen nichts sitzen. Wegen Diebstahl vor allem. Leute, schreibt etwas über das, was passiert ist, bitte! Schweigt nicht. Wenn ihr wollt, veröffentlicht das, was ich euch schreibe.
Ich weiß wiederum nichts von Fabio, ich hatte ihm geschrieben, aber er hat nicht geantwortet. Er müsste im gleichen Knast sein wie ich. Wenn ihr Infos zu ihm habt, schreibt mir das und schreibt mir überhaupt! Wenn ihr mir eine Briefmarke rein tun könnt, kann ich antworten. Ich werde bis mindestens Mittwoch hier ausharren müssen. Danach – ich weiß es nicht. Ich wünsche euch ganz viel Gutes, euch allen. Eine Umarmung, ich hoffe, bald zurück zu kommen.
Maria
MARIA ROCCO
JVA Billwerder
Dweerlandweg n° 100
22113 Hamburg
Germany
Maria wurde mittlerweile entlassen.
/Maria weiß zu diesem Zeitpunkt nicht, dass Fabio im Jugendknast Hanöfersand festgehalten wird, dreißig Kilometer außerhalb von Hamburg, dass es ihm gut geht und dass er gut mit den anderen dort klarkommt./
/Auch seiner Entlassung nach Zahlung einer Kaution auf Vorschlag des Gerichts wurde von der Staatsanwaltschaft Hamburg ebenso wenig zugestimmt, wie der von Maria./
/Sie weiß auch nicht, dass im Gegensatz zu Fabio jedoch Alessandro, Orazio, Emiliano und Riccardo zusammen im Männertrakt ihres Gefängnisses, also der JVA Billwerder sitzen, die letzten beiden sind Zellennachbarn./
Hier das Original und mehr Infos auf Italienisch:
http://www.radiondadurto.org/2017/07/26/g20-amburgo-ancora-35-persone-in-carcere-13-tedeschi-e-22-internazionali/
Bisher sind die Einsprüche gegen die Untersuchungshaft alle von der Staatsanwaltschaft Hamburg abgelehnt worden…