„Diese Prozesse sind so politisch, wie Prozesse nur sein können.“ Erklärung der Kampagne „United we stand!“ zu den ersten G20-Prozessen am 28. und 29. August 2017 (DE)

Mit besonders offensichtlich politisch motivierten Anklagen beginnen am 28. und 29. August die Prozesse gegen vermeintliche Straftäter_innen im Zusammenhang mit den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg. Die Kampagne „United we stand!“ ruft für beide Tage zu Kundgebungen vor dem Amtsgericht am Sievekingplatz auf.

Im ersten Verfahren am 28. August steht ein junger Mann aus den Niederlanden vor Gericht, dem schwerer Landfriedensbruch, Widerstand und Körperverletzung vorgeworfen werden. Überraschend dünn bei diesen schwerwiegenden Anklagepunkten erscheint die Beweislage. Es können weder Video- noch Fotomaterial vorgelegt werden, lediglich zwei Polizeibeamte sollen die vorgeworfenen Straftaten bezeugen. Bei der weitreichenden polizeilichen Videodokumentation der Proteste gegen den G20-Gipfel ist das kaum vorstellbar. Trotzdem sitzt der Niederländer seit Anfang Juli in Untersuchungshaft.

Der im zweiten Prozess Angeklagte ist ein polnischer Staatsangehöriger. Er war fernab aller G20-Proteste festgenommen worden und wird seit Anfang Juli unter sehr schwachen Tatvorwürfen in Untersuchungshaft gehalten – angesichts der Konstruktion der Staatsanwaltschaft, die dem nicht vorbestraften Mann lediglich mögliche spätere Straftaten unterstellt, ein rechtspolitischer Skandal.

„Dieser Prozess ist so politisch, wie ein Prozess nur sein kann“, kommentiert Kim König für die Kampagne „United we stand!“. „Die Staatsanwaltschaft behauptet vor aller Welt ernsthaft, wer in einer Stadt, in der irgendwo eine Demonstration stattfindet, Murmeln dabei hat, muss automatisch ein gefährlicher Verbrecher sein. Diese abenteuerliche Anklage, aber auch die Behinderung der Verteidigung in der Gefangenensammelstelle und die Verletzung der Rechte des Gefangenen in der JVA Billwerder belegen den unbedingten Verfolgungswillen des Staates. Er will endlich Verurteilte präsentieren, egal um welchen Preis. Dazu agiert er auch nach einer Art Feindstrafrecht: Eine derart unverhältnismäßige Untersuchungshaft wurde nicht nur gegen die beiden jetzt Angeklagten verhängt, sondern auch gegen viele andere beim Gipfel festgenommene nicht-deutsche Staatsangehörige – und fast nur gegen sie.

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Aktueller Stand zu den G20-Gefangenen – 26.8.2017 (DE)

Der G20-Gipfel ist nun einige Wochen her, die Folgen davon sind jedoch immer noch zu spüren. Fast täglich werden neue Infos über den Einsatz der Gegenseite, die Vertuschungen und Rechtsbrüche, aber auch über die zu erwartenden Repressionen, bekannt.

Von ursprünglich 51 Gefangenen sitzen noch immer 28 Betroffene meist nicht-deutscher Staatsbürgerschaft in U-Haft in den JVAs Billwerder, Hahnöfersand und in der UHA Holstenglacis. Sie kommen aus den Niederlanden, Frankreich, der Schweiz, Österreich, Spanien, Italien, Polen, Ungarn, Deutschland und Russland.

Die Inhaftierten sind nach wie vor den Schikanen und der Willkür von Gericht und JVA-Angestellten ausgeliefert. Bei einzelnen wurden immer wieder die Haftbedingungen verschärft. So dürfen sie z.B. nur mit gerichtlicher Erlaubnis besucht werden. Natürlich werden diese Besuche auch streng überwacht (siehe z.B. Brief von Fabios Mutter an ihren Sohn vom 7.8.17.https://unitedwestand.blackblogs.org/). Des Weiteren konnten wochenlang keine Pakete mit frischer Wäsche an die Gefangenen zugestellt werden, sodass sie nur Anstaltskleidung zum Wechseln hatten. Weiterhin wurde Gefangenen der Besuch der Gefängnisbibliothek verweigert mit der Begründung: „Demonstranten brauchen keine Bücher.“

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Do., 24.08.17: Kundgebung gegen Repression und für die Gefangenen im Untersuchungsgefängnis Holstenglacis

Wir laden ein zur Kundgebung am UG Holstenglacis:
Unsere Solidarität gegen ihre Repression!

Donnerstag, 24.08.17 18 Uhr

Jungiusstraße, Gehweg vor den Wallanlagen, Rückseite Knast (U2 Messehallen, U1 Stephansplatz, S-Dammtor)

Im UG Holstenglacis sind Genossen und Freunde von uns eingesperrt von:

Bei den G20 Protesten wurden nach der Ingewahrsamnahme 3 Menschen ins UG Holstenglacis überstellt, die meisten sind zur Zeit in Billwerder, 3 in Hahnöfersand.

Unser kurdischer Genosse Zeki Eroğlu ist seit Januar auch dort inhaftiert, er ist Ende Juli in einem §129b-Prozess (PKK)zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden.

Außerdem befindet sich hier auch unser Genosse Musa Aşoğlu, dem ebenso ein §129b-Prozess wegen Mitgliedschaft in der türkischen DHKP-C droht und/oder er danach die in die USA abgeschoben wird.

Das Gefängnis wird für männliche Gefangene in U-Haft genutzt. Vor Jahren wurden auch Geflüchtete dort inhaftiert, um sie leichter abschieben zu können. Auch die 12 “Piraten”, die aus Somalia in die BRD entführt worden waren, um ihnen hier “den Prozess zu machen”, waren hier während ihres Prozesses eingekerkert.

Das Gefängnis ist also ein regelmäßiger Versammlungsort für unsere Solidaritätsbekundungen. Kommt diesen Donnerstag dazu! Bringt Musik und Redebeiträge mit!

Niemand wird allein gelassen! Power durch die Mauer!

www.political-prisoners.net

Brief eines G20 Gefangenen aus dem Gefängnis Billwerder 14.08.2017 (DE)

Es sind fast anderthalb Monate vergangen, seitdem ich während des zwölften G20 Treffens in Hamburg festgenommen wurde. In einer Stadt, die von den Sicherheitskräften belagert und als Geisel genommen wurde, die aber auch zu dieser Gelegenheit einen bedeutenden Protest vor Ort hervorgebracht hat.

Zehntausende, wenn nicht mehr, aus ganz Europa und sogar darüber hinaus, sind gekommen, haben sich in einer großen Welle der Solidarität getroffen, aneinander angenähert, organisiert, debattiert und für mehrere Tage zusammen demonstriert. Sie waren sich zu jeder Zeit der Möglichkeit bewusst, Gewalt und Repression der Polizei ausgesetzt zu sein. Von Algeco wurde zu diesem Anlass sogar ein riesiges Polizeigericht (*aus Containern, samt Gefangenensammelstelle) errichtet, um jeden Protest gegen diesen Gipfel so schnell, wie möglich bestrafen zu können.

Meine Verhaftung basiert, so wie die von vielen anderen Gefährt*innen ebenfalls, alleine auf das unantastbare Wort der Polizei. Von einer Einheit, die die Aufgabe hat, zu infiltrieren, observieren und ihrer „Beute“ zu folgen (über 45 Minuten in meinem Fall, aufgrund eines vermuteten Wurfgeschosses). Wenn sie einen erst einmal isoliert haben, gibt es die Möglichkeit zur Verhaftung, indem sie Kolleg*innen schicken, die schnell und gewalttätig eingreifen und keine Möglichkeit zum Entkommen lassen.

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Fotos und Videos – Eine Gefahr für G20-Gegner*innen. Statement der Roten Hilfe (DE)

Die massive Polizeigewalt im Rahmen der Proteste rund um den G20-Gipfel in Hamburg hat einer alten Debatte neue Nahrung gegeben: der Frage der (Un)Sinnhaftigkeit von Foto- und Videomaterial von Demonstrationen und anderen politischen Aktionen. Daher nehmen wir an dieser Stelle den Diskussionsfaden auf und verdeutlichen, warum wir entsprechende Aufnahmen sowie deren Veröffentlichung für gefährlich halten.

Dass es rund um den G20-Gipfel zu massiven Ausschreitungen seitens der Staatsgewalt gekommen ist, kann nur von Leuten bestritten werden, die sich der Realität komplett verweigern. Im Internet finden sich unzählige Bilder und Videos von hemmungslos prügelnden Polizist*innen. Diese können selbst von der bürgerlichen Presse nicht übersehen oder umgedeutet werden. Das wird häufig als Argument für die Veröffentlichung entsprechender Materialien ins Feld geführt. Übersehen werden die schwerwiegenden Folgen, die Fotos und Videos in den Händen der
Ermittlungsbehörden mit sich bringen können.

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Brief von Alessandro (IT) aus dem Gefängnis Billwerder 22.07.2017 (DE)

22-07-2017 Billwerder, Hamburg

Liebe Genoss*innen,

Heute habe ich den vierten Strich zeichnen müssen (IIII). Es sind in der Tat schon 20 Tage vergangen, seitdem ich auf feige und brutale Art und Weise von einer der Hamburger Spezialeinheiten zu Boden geworfen, estgenommen und hinter Gitter gesteckt worden bin. Sobald sie mich festgenommen hatten, unterbanden sie sofort, dass die vielen solidarischen Umstehenden auf der Straße sich nähern und helfen konnten oder dass diejenigen, die das Ganze auf den Balkonen mitbekommen hatten, mit mir kommunizieren konnten. Sie begannen sofort, mich zu durchsuchen, warfen alles auf den Boden – fanden aber nichts außer einer Regenjacke von Quechua, die noch dazu nur außen an meinem Rucksack hing. Ein sehr nervöser und gleichzeitig besessener 2-Meter-Typ hat dann noch schnell eine Flasche und einen Helm von irgendwo aufgesammelt, um ein Geständnis vor der Kamera aus mir herauszuholen.

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3/9/2017 JVA Billwerder: United we stand! Free them all

UNITED WE STAND! FREE THEM ALL!

Sonntag 3. September 2017
14.00 Uhr ab S Bahn Billwerder / Moorfleet
Demonstration zur JVA Billwerder

Am Sonntag den 3. September wollen wir wieder zur JVA Billwerder ziehen und unsere Freund*innen besuchen, die die Stadt Hamburg nach dem G20 immer noch hinter hohen Mauern gefangen hält. Sie konnten uns leise hören, auch wenn der Hofgang extra zeitlich verlegt wurde, damit sie von unserer Solidarität möglichst nichts mitbekommen.

Ein Grund mehr laut und zahlreich unsere No G20 Brüder in der JVA Billwerder zu besuchen. Kommt mit uns, Kaffe und Kuchen, Musik und Reden am 3.9. zur JVA Billwerder.

Bitte übermittelt uns im Vorfeld die Musikwünsche der Gefangenen, wenn ihr euch mit ihenen schreibt oder sie besuchen geht.

United we stand!

Bericht von der Kundgebung vom 6.8.17 in Billwerder

Mit fast 200 Leuten zogen wir am 06.08. vor das Tor des Gefängnisses in Billwerder. Hier saßen noch fast 30 G20-Gefangene. Bei bestem Wetter, laut und bunt ging es mit Musik von der S-Bahn Moorfleet bis vor die Mauer des Knastes. Dort gab es 2 Stunden lang Redebeiträge in vielen Sprachen, darunter Englisch, Spanisch, Italienisch, Baskisch, Russisch und Tschechisch. Das Mikrofon war „offen“, so dass Angehörige genauso sprachen wie verschiedenste politische Gruppen. Weil solidarische Leute für Kaffee und Kuchen gesorgt hatten, wurde unsere Demo in einem schweizer Boulevard-Blatt als „Kaffeefahrt“ benannt. Das machen wir gerne weiter so. Gleich am Sonntag 03.09. geht es wieder los! Kommt alle!

Grußwort an Gefangene, Demonstration zur JVA Billwerder, 6.8.2017

Hallo Leute,

Heute Nachmittag wollen wir gemeinsam Euch besuchen: die No G20 Gefangenen.

Euch zeigen: Es hat einige getroffen, aber gemeint sind wir Alle!

Einen Monat nach dem G20 Gipfel hält die Hansestadt Hamburg immer noch 35 unserer Freund*innen als Geisel in ihren Knästen gefangen. Einige sitzen bei Planten un Blomen im Untersuchungsgefängnis, wo schon seit Jahrhunderten Menschen eingesperrt werden. Andere sitzen in Hahnöfersand, Hamburgs kleinem Alcatraz. Weitere Menschen von nah und fern, die mit uns beim Protest gegen die herrschenden Verhältnisse auf der Strasse waren, werden hier festgehalten. Euch wollen wir heute laut und deutlich zurufen:

Wir lassen euch nicht allein. Wir sind eure Geschwister! Grössere, kleinere, jüngere, ältere, schwarz oder bunt gekleidete, helle, dunkle, laute und leise, nahe und ferne. Wir stehen zusammen – wie wir beim Festival der Hiebe zusammengestanden haben! Wir grüssen auch die Anderen, die an diesem schrecklichen Ort gefangen halten werden. Hinter dieser hohen Mauer, hinter Gittern.

Wir wissen eine andere Welt ist möglich. Eine Welt ohne Nationen, ohne Grenzen, ohne Mauern, ohne Zäune, ohne Stacheldraht und ohne Knäste. Eine solidarische Welt, eine solidarische Gesellschaft muss sich weder einmauern noch einzäunen. Sie muss weder Menschen einschliessen noch ausschliessen und schon gar nicht wegschliessen.

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Redebeitrag des EA Hamburg am 6.8. in Billwerder (DE)

Aktuell laufen etwa 160 Ermittlungsverfahren, 32 sitzen derzeit noch in Untersuchungshaft.

Rund um den G20 agierte & agiert die Polizeibehörde: Politisch motiviert, widerrechtlich, selbstherrlich und mit mutwilliger Gewalt. Politik und Justiz halten ihnen dabei bereitwillig den Rücken frei.

Bereits die Errichtung von Camps versuchte die Polizei auf biegen und brechen zu verhindern. Zielsetzung schien die Demobilisierung durch das Verbot von Schlafplätzen und Abschreckung durch gewalttätige Einsätze. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch und alle, die einen Schlafplatz suchten, erfuhren große Solidarität.

Auch die übertriebenen Einsätze am Grünen Jäger (Arrivati-Park) und an anderen Orten, mit weiteren Verletzten, brachte die Cops medial international in die Kritik. Die Solidarität auf der Straße untereinander wurde umso breiter.

Die Intensität der Polizeigewalt nahm jedoch weiterhin zu. Ein Höhepunkt war der Angriff auf die „welcome-to-hell“-Demo: mit viel Geknüppel, literweise Pfeffer, Wasserwerfern und Räumpanzern führten sie gezielt eine extreme Paniksituation herbei. Im Rahmen dieses Einsatzes gab es hunderte Verletzte und eine Person musste aufgrund eines Tonfaschlags sogar reanimiert werden.

Die Polizeistrategie wechselte ab da. Nicht mehr ausschließlich verletzte Aktivist*innen waren das Ziel, jetzt ging es auch um zahlreiche Fest- und Ingewahrsamnahmen. So wurden am Freitag Morgen etliche Aktivist*innen in der Nähe des Volksparkcamps mit Schlagstöcken, Wasserwerfer und Pfeffer gezielt aus zwei Richtungen in Panik versetzt und verletzt. Die Polizei führte aktiv eine Situation herbei, in der Leute mit einem Zaun abstürzten. Dadurch mussten 14 Personen sofort ins Krankenhaus, 11 davon mit schwersten Verletzungen wie offenen Brüchen und Ähnlichem. Alle Anderen, zumeist mindestens leicht verletzt, wurden festgenommen. Mindestens 59 Ermittlungsverfahren gegen Aktivist*innen beziehen sich hierauf, 13 von ihnen landeten in Untersuchungshaft.

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